Rückblick

2016 - das Jahr der großen Überraschungen

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Brexit und Donald Trumps Wahlsieg in den USA waren Überraschungen, die auch die weltweite IT-Branche in Atem hielten. Der Trend zu mehr Protektionismus widerspricht den Prinzipien der digitalen Wirtschaft, die im Netz bereits sämtliche Barrieren und Grenzen überwunden glaubte.

Zwei politische Paukenschläge übertönten 2016 alle anderen Ereignisse und sorgten auch in der weltweiten IT-Branche für Unruhe und heftige Diskussionen. Am 23. Juni waren die Briten aufgerufen, zu entscheiden, ob ihr Land in der EU bleiben soll oder nicht. Im Vorfeld waren die meisten Experten und Meinungsforscher überzeugt, dass sich die Insel mehrheitlich für den Verbleib in der Europäischen Union entscheiden würde. Doch es kam anders. Das Gros der Briten votierte für einen Austritt aus der EU.

Das Beben, das diese Entscheidung auslöste, war gewaltig – politisch wie ökonomisch. Am Tag nach der Entscheidung knickten weltweit die Börsenkurse ein. Aktienwerte in einem Volumen von fünf Billionen Dollar lösten sich in kürzester Zeit in Luft auf. Der britische Premierminister David Cameron, der sein politisches Schicksal mit einem Pro-EU-Votum verknüpft hatte, erklärte postwendend seinen Rücktritt. Seine Nachfolgerin Theresa May, die wie ihr Vorgänger eigentlich gegen den EU-Ausstieg war, machte schnell klar, dass es keine Umkehr oder zweite Abstimmung geben werde: "Brexit heißt Brexit."

Der Brexit wird zu mehr Bürokratie führen, sind sich die Vertreter der deutschen IT-Branche sicher. Sie fordern daher, dass auch nach einem Abschied Großbritanniens aus der EU die Schaffung eines gemeinsamen digitalen Binnenmarktes – inklusive der Insel – oberste Priorität haben müsse.
Der Brexit wird zu mehr Bürokratie führen, sind sich die Vertreter der deutschen IT-Branche sicher. Sie fordern daher, dass auch nach einem Abschied Großbritanniens aus der EU die Schaffung eines gemeinsamen digitalen Binnenmarktes – inklusive der Insel – oberste Priorität haben müsse.
Foto: nito - shuterstock.com

Diese Entscheidung erwischte auch die IT-Branche kalt. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder äußerte die Befürchtung, dass sich Großbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen werde. Für Unternehmen aus Deutschland bedeute dies, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Großbritannien beschäftigen müssten. "Sicher ist, dass durch den Brexit im Handel neue Bürokratie auf die Unternehmen zukommt", sagte Rohleder. Der Bitkom-Funktionär mahnte deshalb auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens einen einheitlichen Rechtsrahmen an. "Ein gemeinsamer digitaler Binnenmarkt, der Großbritannien mit einschließt, muss unser Ziel bleiben", so der Lobbyist. "International einheitliche Regeln sind die Grundvoraussetzung für eine funktionierende und leistungsfähige digitale Wirtschaft."

Business as usual - trotz Brexit

In den Reihen der IT-Anbieter bemühten sich die Manager demonstrativ um Gelassenheit. "Wir setzen unser Geschäft wie gewohnt fort", hieß es beispielsweise bei Hewlett-Packard Enterprise EMEA/Germany. Man sei schließlich Veränderungen gewohnt. "Wir sind in Politik und Wirtschaft alle gut beraten, nichts zu überstürzen und verträgliche Lösungen zu erarbeiten", verlautete auch aus der Microsoft Deutschland GmbHMicrosoft Deutschland GmbH. "Notfallpläne" brauche es jedenfalls nicht. Britische Firmen wie der Mobilfunkanbieter VodafoneVodafone überlegten indes offen, ihren Hauptsitz aus London zu verlegen. Es sei wichtig, weiterhin von der Freizügigkeit von Bürgern, Kapital und Gütern zu profitieren, teilte das Unternehmen mit. Top-500-Firmenprofil für Microsoft Deutschland GmbH Top-500-Firmenprofil für Vodafone

Nachdem im Lauf des Sommers klar wurde, dass sich die Verhandlungen rund um den Brexit wohl länger hinziehen dürften und vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen drohen, beruhigte sich die Szenerie, und die Aufmerksamkeit verlagerte sich über den großen Teich in die USA. Dort stand im November die zweite große Entscheidung des Jahres 2016 an. Wer wird Nachfolger von Barack Obama und damit der nächste Präsident der Vereinigten Staaten?

Trump zieht neue Grenzen

Und wieder gab es eine deftige Überraschung. Meinungsforscher und Experten sahen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton schon als sichere Siegerin. Doch die Amerikaner wählten den Milliardär und Populisten Donald Trump zu ihrem neuen Präsidenten. Erneut war die Unsicherheit groß. Im Mittelpunkt von Trumps Aussagen bezüglich der künftigen Strategie und Rolle der USA im Weltmarkt standen die Ablehnung von Freihandel und eine Abschottung der heimischen Wirtschaft, wo immer es den Amerikanern dient.

Für die ITK-Branche, deren Credo die Auflösung von Grenzen durch das Internet ist, gibt es seitdem jede Menge Unwägbarkeiten. Wer in die USA exportieren und mit der weltgrößten Wirtschaft Handel treiben will, hat keine verlässlichen Rahmenbedingungen mehr. Erwartet werden neue Zölle sowie Quoten und Kontingente für die Einwanderung von Fachkräften. Trump hatte mehrfach klar zu verstehen gegeben, dass ihm die billigen Exporte aus China ein Dorn im Auge seien. Außerdem dürfe Arbeit nicht nach Indien ausgelagert werden, wenn gleichzeitig die Arbeitslosenquote in den USA steige.

Welche Folgen der Wahlsieg des Populisten Donald Trump für die globale IT-Industrie haben wird, lässt sich bis dato noch nicht ansehen.
Welche Folgen der Wahlsieg des Populisten Donald Trump für die globale IT-Industrie haben wird, lässt sich bis dato noch nicht ansehen.
Foto: Joseph Sohm - shutterstock.com

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) mahnte, Trump müsse nun Farbe bekennen. "Die digitale Wirtschaft in Deutschland und der gesamten EU erwartet verlässliche Rahmenbedingungen für die bewährte transatlantische Zusammenarbeit. Bestehende Freihandelsbeziehungen dürfen von der US-Regierung unter keinen Umständen in Frage gestellt werden – dies wäre Gift für die Weltwirtschaft." Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) forderte, man müsse stärker gegen den Populismus kämpfen und den Menschen die Chancen und Vorteile der DigitalisierungDigitalisierung deutlicher machen. "Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl scheint vor allem auszudrücken, dass eine Mehrheit der Bürger von der bestehenden Politik und den positiven Elementen der Globalisierung nicht mehr erreicht werden und einen Wechsel wollen." Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Zur Startseite