Gemeinsam Software entwickeln

Mit SAP in wildem Wasser

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Auf das Know-how von Entwicklungspartnern in Schlüsselbranchen ist SAP unbedingt angewiesen. Diese Unternehmen erwarten im Gegenzug, dass ihre Softwareprojekte bevorzugt behandelt werden. Eine Win-Win-Situation? Sicher ist, dass vor allem SAP von den gemeinsamen Entwicklungen profitiert.

Eine Branchenlösung für Krankenkassen in Deutschland zu schaffen müsste für ein Softwarehaus eigentlich eine spannende Sache sein. Der Markt ist riesig, über 70 Millionen Versicherte werden von rund 320 gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) betreut. Trotzdem habe SAPSAP nach ersten Gesprächen mit der AOK 1996 einen Rückzieher gemacht, erzählt Klaus Schmitt, der Geschäftsführer von AOK-Systems. Erst als die IT-Tochter der größten deutschen Krankenkasse Anfang 1999 gegründet wurde, um mit kasseneigenem Know-how die dringend benötigte Lösung zu schaffen, meldeten sich die Walldorfer zurück. Schmitt ließ sich auf den Deal ein, die komplexe Dreiecksbeziehung zwischen Versicherern, Gesetzgeber und Kunden gemeinsam abzubilden: "Wir haben kalkuliert, dass wir für die Entwicklung einer Individuallösung etwa 15 Jahre gebraucht hätten. Durch das Einbeziehen von SAP-Komponenten werden es nur etwa acht Jahre sein." Alles zu SAP auf CIO.de

Schmitt ist in großer Gesellschaft: Immer wieder gehen IT-Entscheider ohne dazwischengeschaltete Berater strategische Entwicklungspartnerschaften mit SAP ein. Coca-Cola, Nestlé, die Lufthansa, Daimler-Chrysler, Infineon oder die Schweizer UBS AG arbeiteten mit den Walldorfern zusammen, statt von der Stange zu kaufen. Etwa 20 Großkundenprojekte hat SAP in den letzten vier Jahren in Angriff genommen. Mit welchen Unternehmen man dabei ins Boot steigt, ist immer eine strategische Vorstandsentscheidung. "SAP hat ein enormes Interesse daran, diese ProjekteProjekte nicht scheitern zu lassen, denn sie sind der Schlüssel, um in bestimmte Märkte überhaupt hineinzukommen", meint Rüdiger Spies, Analyst der Meta Group Deutschland. Alles zu Projekte auf CIO.de

Doch nicht immer profitieren beide Seiten von den Kooperationen. Im Laufe der Zusammenarbeit mit der AOK kühlte das Klima zwischen den Partnern ab. Der erste Teil der Lösung, der seit dem 1. März dieses Jahres produktiv ist, managt sämtliche Daten der Versicherten, der Arbeitgeber und der Krankenhäuser. Das zweite Release, genannt "Claims 2.0", soll 2006 für die gesamte Abrechnung von Leistungen bereitstehen. Während der erste Teil der Lösung großenteils auf fertigen Standardkomponenten von SAP beruhe, so AOK-Systems-Geschäftsführer Schmitt, wurde der zweite Baustein gemeinsam entwickelt. Die sich rasch ändernden gesetzlichen Bestimmungen im Krankenversicherungsbereich abzubilden ist jedoch kompliziert.

Der Hang von SAP, auf derart vermintem Gelände Zeit und Geld zu verlieren, hielt sich in Grenzen. Das so genannte GKV Add-On wurde letztlich allein von AOK Systems entwickelt. Das Geschäft mit der Branchensoftware wird in Zukunft aber weitgehend ohne die AOK gemacht. Abgesehen vom GKV-Add-On verbleiben die Rechte an der Software und damit zukünftige Lizenzeinnahmen bei SAP. Wettbewerber Barmer hat die Software bereits gekauft, und Schmitt geht davon aus, dass "weite Teile der Entwicklung künftig sogar in privaten VersicherungenVersicherungen einsetzbar sind, weil sich die Arbeitsweisen der beiden Systeme weiter angleichen." Er sagt aber auch: "Wir selber könnten so ein System in der Größenordnung vermutlich gar nicht effektiv vermarkten." Top-Firmen der Branche Versicherungen

Über so viel Bescheidenheit dürfte sich SAP-Deutschland-Geschäftsführer Michael Kleinemeier ein Loch in den Bauch freuen. Die IT-Tochter der größten deutschen Krankenversicherung räumt von sich aus das Feld und lässt SAP das Geschäft machen. Kleinemeier räumt freimütig ein, "dass wir bei strategischen Entwicklungsprojekten in der Regel die Vermarktung der entstandenen Lösungen allein übernehmen. Die meisten sagen ohnehin, dass der Verkauf der Software nicht ihr Kerngeschäft ist." Und Andrea Roesinger, Senior Vice President der Business Solutions Group Financial & Public Services, betont: "SAP entwickelt ja nicht nur für den Kunden, sondern will auch einen Nutzen für spätere Produkte haben."

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