Strategien


Flex-Office

ADAC hat feste Arbeitsplätze abgeschafft

01.10.2012
Von Nicolas Zeitler
Die Mitarbeiter des Automobilclubs arbeiten in flexiblen Büros. Mit ihrem Rollcontainer suchen sie sich jeden Morgen einen freien Schreibtisch.
Günter Weinrauch, Leiter Informationsverarbeitung, ADAC: "Durch die flexible Struktur finden sich Kollegen, die gemeinsam arbeiten, und man muss sie seltener in Meetings schicken."
Günter Weinrauch, Leiter Informationsverarbeitung, ADAC: "Durch die flexible Struktur finden sich Kollegen, die gemeinsam arbeiten, und man muss sie seltener in Meetings schicken."
Foto: ADAC

Meinen die das ernst? Eine "schöne neue Arbeitswelt" verspricht das Plakat in der Eingangshalle, in deren hinterem Teil ein Wasserfall eine neun Meter hohe Glaswand herunterplätschert. Die Aldous Huxleys Buchtitel ähnelnde Formulierung beschreibt im Original eine "schöne neue Welt", die hinter der Fassade genau das Gegenteil ist. Doch im 22-geschossigen Neubau der ADAC-Zentrale im Münchener Westend soll die Floskel keineswegs zynisch verstanden werden. Die schöne neue Arbeitswelt besteht hier darin, dass bis auf wenige Führungskräfte keiner einen festen Arbeitsplatz hat. Seit dem Umzug Ende 2011 von bisher sieben Standorten in das 93 Meter hohe neue Bürohaus holen sich die 2400 Mitarbeiter morgens ihren Rollcontainer und schieben ihn an einen freien Schreibtisch. Flexibles Zusammenarbeiten in wechselnden Teams soll das "Flex-Office" genannte Konzept ermöglichen. "Für die IT ist das genial", urteilt vier Etagen über der Eingangshalle IT-Chef Günter Weinrauch.

Für ihn ist das Flex-Office ein Instrument, das der Arbeitsweise seiner Abteilung entgegenkommt. "Wir setzen sehr häufig Leute zu Task Forces und Projektteams zusammen, auch auf längere Zeit", sagt er. Weinrauch bevölkert mit seiner Abteilung den vierten Stock und Teile der dritten Etage in dem Neubau mit der geschwungenen Fassade. Zumindest haben die 250 festen IT-Mitarbeiter dort ihre "Heimatbereiche", wie der IT-Chef es formuliert. An einem der rundlichen Zipfel des Gebäudes liegt im vierten Stock etwa das Zuhause von Prozessoptimierern, IT-Architekten und Mitarbeitern der IT-Steuerung. In der Mitte des Großraumbüros sind die Parkplätze, an denen sie nach Arbeitsschluss ihre Caddys abstellen, abschließbare Schränke auf Rollen mit Platz für Notebook, Aktenordner, Schreibwerkzeug und ein paar nicht allzu voluminöse persönliche Dinge.

Wer an welchem der bis zur Stehpulthöhe ausfahrbaren Bürotische arbeitet, entscheidet sich allmorgendlich neu. Am Zugang zu jedem Abschnitt des Großraumbüros steht eine Tafel mit Gebäudegrundriss, auf der die Mitarbeiter einen Magneten mit ihrem Namen dort platzieren, wo sie arbeiten. Vorausgesetzt, sie bleiben in ihrem Heimatbereich. Grundsätzlich können Mitarbeiter aus dem IT-Bereich von Günter Weinrauch auch an einem völlig anderen Ort in der ADAC-Zentrale arbeiten als im dritten oder vierten Obergeschoss des ringförmig um den Turm angelegten Flachbaus.

Die flexible Bürolandschaft beim ADAC beruht auf Ergebnissen aus dem Forschungsprojekt "Office 21", das das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) seit 1996 betreibt. Die Münchener Automobilisten sind denn auch längst nicht die Ersten, die den persönlichen Arbeitsplatz abgeschafft haben. IBMIBM arbeitet unter anderem in Stuttgart seit gut zehn Jahren nach dem Fraunhofer-Konzept, auch Mitarbeiter der Deutschen Bank in Frankfurt und London, von BMW in Leipzig und Siemens in München begeben sich morgens in sogenannte non-territoriale Arbeitswelten vom Reißbrett der IAO-Forscher. Dennoch handelt es sich noch immer eher um Einzelprojekte als um eine in der Breite angekommene Bürostruktur. Der stellvertretende IAO-Chef Wilhelm Bauer spricht von "geschätzten zehn bis 15 Prozent". Eine Hochrechnung des Büromöbelherstellerverbands BSO kommt zu deutlich niedrigeren Zahlen. Laut einer Umfrage unter rund 600 Firmen wird nur in 5,6 Prozent der Betriebe mit mindestens zehn Beschäftigten zumindest teilweise non-territorial gearbeitet. In diesen Firmen haben dem BSO zufolge durchschnittlich 30 Prozent der Beschäftigten keinen eigenen Arbeitsplatz. Alles zu IBM auf CIO.de

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