Wirbel um Gartner-Vortrag

Analysten sehen Windows "vor dem Kollaps"

24.04.2008
Von Nicolas Zeitler
Die Oberfläche von Windows Vista. Nicht alle in der Fachwelt teilen die Kritik am angeblich "aufgeblähten" Betriebssystem. Der Nutzer wolle ja schließlich immer mehr Anwendungen, gibt etwa Paul Thurrott zu bedenken.
Die Oberfläche von Windows Vista. Nicht alle in der Fachwelt teilen die Kritik am angeblich "aufgeblähten" Betriebssystem. Der Nutzer wolle ja schließlich immer mehr Anwendungen, gibt etwa Paul Thurrott zu bedenken.

Virtualisierung stellt in den Augen der Gartner-Experten zunehmend das klassische Verständnis von Betriebssystemen in Frage. Ein Hypervisor (auch: Virtual Machine Monitor) übernehme zunehmend Funktionen, die in den Aufgabenbereich eines Betriebssystems fielen - etwa als Schnittstelle zwischen Hardware und Anwendungen. Ein großes, "monolithisches" Betriebssystem sei vor diesem Hintergrund immer weniger gefragt. Stattdessen plädieren die Gartner-Analysten für "adaptive" Betriebssysteme. Es zeichne sich eine Entwicklung ab hin zu integrierten Plattformen, auf denen mehrere, schlanke Betriebssysteme den Einsatz der Hardware regeln.

Windows wurde ursprünglich nicht als System für mehrere Benutzer entwickelt. Dieser Ansatz von vor mehr als zehn Jahren sei eine "Altlast", die noch heute die Arbeit mit Windows präge. Für viele Anwendungen brauche der einzelne Nutzer Administratorrechte. Gleichzeitig gefährdeten Schadprogramme, die bei der Arbeit eines bestimmten Nutzers auf den Rechner gelangt sind, das gesamte System.

Mangelnde Modularität

Einer der Haupt-Kritikpunkte der Analysten, die mangelnde Modularität, behindert laut Gartner zum Beispiel mobile Nutzer und erschwert Upgrades unnötig. Die Autoren des Vortrags fordern auch, dass einzelnen Anwendungen sich leichter vom Betriebssystem abkoppeln lassen. Dass die Applikationen derart "eingebettet und verstreut" in Windows untergebracht seien, erschwere zwar auf der einen Seite das illegale Kopieren von Programmen. Andererseits mache diese Bauweise des Betriebssystems es auch komplizierter, den Anwendern an ihren wechselnden Arbeitsplätzen genau die Funktionen verfügbar zu machen, zu denen sie Zugang haben sollen. Außerdem sei der Umzug von Anwendungen auf ein neues Betriebssystem oder einen neuen Rechner zu schwierig.

Die Lizenzierungs-Politik des Software-Konzerns ist den Marktforschern ebenfalls ein Dorn im Auge. Der derzeitige Ansatz sei unflexibel und für die sich verändernden Arbeitsbedingungen zunehmend ungeeignet. Die Lizenzen von Windows und Office seien letztlich an ein bestimmtes Gerät gebunden, nicht an einen Nutzer. "Das ergibt keinen Sinn in einer Welt, in der der Arbeitsplatz eines Anwenders zwischen mehreren Geräten hin- und herwechselt", geben die Analysten zu bedenken.

Windows als überkommene "Altlast"

Gartner zeichnet ein Szenario, das Windows innerhalb der kommenden sieben bis zehn Jahre zu einem Überbleibsel aus vergangenen Zeiten werden lässt. Tragbare Geräte gewinnen darin stark an Bedeutung. Der klassische PC ist nur noch eine von vielen Formen von Arbeitsgeräten, der für spezielle Aufgaben eingesetzt wird. Für den Einsatz auf anderen Apparaten sei Windows allerdings sehr schlecht geeignet. Anwendungen über das Web gewännen die Oberhand; Windows-Applikationen seien hingegen nur noch eine "Hinterlassenschaft".

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