iPhone


Mobile Payment

Apple Pay ist keine Lösung für Deutschland



Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Wenige Tech-Themen haben einen solchen Hype ausgelöst wie mobiles Bezahlen. Dabei werden sich Apple und andere hierzulande damit schwertun. Auch langfristig.

Es gibt Gegenden auf der Welt, da ist den Menschen das Herumtragen von Bargeld selbst in kleinen Mengen extrem lästig, und wer an der Tankstelle Sprit im Gegenwert von 20 Euro Cash bezahlt, erntet misstrauische Blicke.

Kalifornien und das Silicon Valley sind solche Gegenden, kein Wunder also, dass hier die ersten Lösungen für mobiles Bezahlen - vor allem via Smartphone - entstanden sind. Und das nicht erst neulich. Square Inc. hatte bereits 2010 seine erst Bezahl-App vorgestellt.

Zum Massenphänomen wurde die Idee damit aber noch lange nicht, statistisch betrachtet interessierte sich kaum jemand dafür. Und die Deutschen diskutierten erwartungsgemäß erstmal ausführlich ihre Datenschutzbedenken.

Doch anno 2014 soll es, rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft, endlich losgehen, und alle wollen dabei sein: GoogleGoogle, PayPal, einige Mobilfunkanbieter, seit August auch AmazonAmazon. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de

Apple setzt auf die Kreditkartenbranche

Und natürlich AppleApple. Wenn sich die Tech-Götter aus Cupertino mit einem Thema beschäftigen, bekommt die Diskussion innerhalb von Wochen leicht hysterische Züge. Alles zu Apple auf CIO.de

So auch in diesem Fall: Apple Pay soll das Bezahlen revolutionieren, das gewählte System schnell und unkompliziert zu benutzen und sicher sein. Sicher vor Betrug und auch sicher davor, dass Apple durch die Bezahlvorgänge massenhaft Benutzerdaten sammelt und daraus individuelle Profile bastelt.

Seit Oktober kann mit Apple Pay in einer ganzen Reihe von führenden US-Einzelhandelsketten wie Macy´s, Staples, Wholefoods oder McDonalds eingekauft werden. Ziel ist es vor allem, die kreditkartenaffinen Amerikaner weg zu lotsen vom Plastikgeld und hin zu einer Lösung, bei der lediglich das iPhoneiPhone an ein Lesegeräte gehalten und anschließend der Bezahlvorgang autorisiert werden muss. Alles zu iPhone auf CIO.de

Abrechnungstechnisch macht es sich Apple leicht, man bedient sich der Strukturen der Kreditkartenindustrie. Vereinfacht gesagt werden Kreditkartennummern in digitaler Form aufs Smartphone übertragen und von dort aus genutzt, allerdings in verschlüsselter Form, so dass niemand die Daten bei Verlust des Geräts auslesen kann. Sagt Apple.

Mit dieser Technik steigen die iPhone-Erfinder in den lukrativsten Teil des mobilen Bezahlens ein, nämlich in den Geldkreislauf des stationären Einzelhandels. Daneben wird noch eine andere Variante diskutiert, nämlich "Bumb": Zwei Mobiltelefone nähern sich nach entsprechender Voreinstellung bis auf wenige Zentimenter an, und durch diesen "Bums" wird virtuelles Geld von einem SmartphoneSmartphone zum anderen übertragen. Alles zu Smartphones auf CIO.de

Zahlungsverkehr ist sehr lukrativ

In den Plänen der großen Player spielt diese Idee allerdings keine Rolle. Mit gutem Grund: Das virtuelle Hin- und Herschieben von Kleinbeträgen zwischen Freunden klang erstens von Beginn an wie die geniale Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hatte. Außerdem erfährt der Anbieter durch diesen Vorgang fast nichts über die Beteiligten, und eine dritte Stelle - etwa ein Einzelhändler -, dem man Gebühren abknöpfen könnte, ist auch nicht im Boot.

Gebühren für Zahlungsvorgänge sind laut KPMG bei einigen US-Banken für ein Viertel des gesamten Umsatzes verantwortlich, außerdem gilt das Geschäft als sehr lukrativ weil hochgradig automatisiert.

Und von diesem Kuchen will Apple sich ein Stück abschneiden. Laut Bloomberg hat Apple mit den wichtigsten US-Banken einen Deal gemacht. Demnach kassiert das Unternehmen bei jedem Bezahlvorgang über Apple Pay eine Gebühr.

Einige US-Journalisten gehen davon aus, dass es Apple tatsächlich gelingen könnte, das Zahlungsverhalten nach und nach zu verändern. Für Deutschland allerdings ist damit so schnell nicht zu rechnen. Denn Abrechnungstechnisch handelt es sich um eine Kreditkartenzahlung, und solche sind hier extrem unbeliebt.

Deutsche mögen keine Kreditkarten

Lediglich 5,4 Prozent aller Einzelhandelsumsätze in Deutschland werden über Kreditkarten abgewickelt, was auch daran liegt, dass ganz viele Geschäfte wegen der hohen Gebühren keine Kreditkarten akzeptieren. Zudem gibt es bei uns eine gut funktionierende und beliebte Insellösung namens EC-Karte.

Andererseits: Mobile Payment ohne zwischengeschaltete Bank oder Kartenfirma (die auch eine Bank ist) würde in Deutschland noch weniger funktionieren.

Denn die Krux liegt im Clearing, in der Identifizierung und Authentifizierung, in der Antwort auf die Frage, wer die Identität dessen überprüft, der das Smartphone zum Bezahlen in Händen hält. Apple will diesen Check via Fingerabdruck-Scanner durchführen. Nur: Wie viele Menschen, bezogen auf alle Einzelhandelskunden, besitzen ein iPhone?

Wer bürgt dafür, dass aus den übertragenen Daten irgendwann eine Überweisung auf ein BankkontoBankkonto wird? Anders gefragt: Wer macht aus virtuellem Geld echtes, das man abheben und ausgeben kann? Alles zu Finance IT auf CIO.de

Das darf nach deutscher Rechtslage nur eine Bank. Die könnte theoretisch auch Identitäten klären, weil sie über Kundendaten verfügt. Allerdings müssten, wenn wie beim Bump Kunde A von Bank A an Kunde B von Bank B überweist, verschiedene Institute untereinander Daten austauschen. Ist das Legal? Was sagt der DatenschutzDatenschutz dazu? Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Banken wollen gläserne Kunden

Vertrauen und Image spielen in Deutschland eine überragende Rolle. Vertrauen in die BankenBanken insgesamt, in ihre Mitarbeiter und deren Beratung. Vor allem aber in deren seriösen Umgang mit Daten. Top-Firmen der Branche Banken

Die zugleich immer wichtiger werden für die Kundenbindung: Nur wer seine Klientel kennt, kann maßgeschneiderte Produkte verkaufen. Denn zeitgleich zum Mobile Payment treibt noch ein weiterer, damit verwobener Trend die Branche um: Personal Finance Management - PFM - also der Wunsch und die Fähigkeit, vorhandene Daten zusammenzuführen, um den viel zitierten 360-Grad-Blick auf den Kunden zu bekommen.

Sogenannte Nichtbanken wie Apple, die jetzt ins Geldgeschäft einsteigen, wissen viel mehr über ihre Kunden als die traditionellen Institute. Bei denen reagieren wir höchst empfindlich auf persönliche Fragen, während wir diese den Apples dieser Welt quasi automatisiert und freiwillig durch die Benutzung seines SmartphonesSmartphones beantworten. Alles zu Smartphones auf CIO.de

Regularien als Vorteil gedeutet

Dass sich Kreditinstitute gerade hierzulande an einen Berg von Regularien halten müssen, sehen allerdings nicht alle in der Branche als Nachteil an.

Auf einer Veranstaltung Ende September in Frankfurt sagte zum Beispiel DZ-BankDZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch: "Vielleicht stärkt an dieser Stelle gerade die Regulierung die Position der Banken, verlangt sie doch von uns einen sehr verantwortungsvollen, sensiblen Umgang mit Kundeninformationen und -daten. Viele der neuen Anbieter können oder wollen da nicht mithalten." Top-500-Firmenprofil für DZ Bank AG

Die Betonung liegt auf wollen. Natürlich schwört Apple Stein und Bein, beim Bezahlen keine Daten zu sammeln und keine Profile zu erstellen. Doch Zweifel daran sind berechtigt: Erstens erfordert es mindestens übermenschliche Kräfte, mit beiden Beinen auf einem Goldschatz (den Kundendaten) zu stehen, ohne sich danach zu bücken. Zweitens stellt sich spätestens seit den gehackten iCloud-Konten von Prominenten die Frage, ob Apple überhaupt in der Lage ist, Verbleib und Nutzung von dem Unternehmen anvertrauten Daten sicherzustellen.

Größere Chancen als Apple Pay könnte in Deutschland ein mobiles Bezahlsystem haben, das die Supermarktkette Walmart 2015 zunächst US-weit ausrollt. "CurrentC" meidet die Welt der Kreditkarten, das zum Bezahlen benutzte Smartphone wird stattdessen ähnlich wie eine Geldkarte vor Benutzung "aufgefüllt."

Zur Startseite