Themenkarrieren

Aufstieg und Niedergang

02.12.2002
Von Patrick Goltzsch

Doch der Abschwung folgte unausweichlich. "Es tummeln sich viele schwarze Schafe im Markt", so von Foerster. Die versprächen zum Beispiel, einzelne Personen in einer Menschenmasse per Gesichtserkennung identifizieren zu können. "Das leistet die Technik aber noch nicht", erklärt Peter Bittner, der sich als Informatiker an der Humboldt-Universität Berlin mit Videoüberwachung beschäftigt. Das unseriöse Gebaren, in der Öffentlichkeit falsche Erwartungen an ein Produkt zu wecken, erweise sich schnell als kontraproduktiv für ganze Branchen. Meldungen wie die des britischen IT-Online-Dienstes The Register unter der Überschrift "Biometriesystem - mit Gummibärchen überlistet" sorgten in diesem Jahr für zusätzliche Verwirrung. Hintergrund hier: Ein Privattüftler hatte mit Gelatine-Abdrücken von Fingerprints diverse marktgängige Erkennungssysteme ausgetrickst. "Die Kunden lassen sich durch so etwas verunsichern", klagt von Foerster. ZN Vision musste viel Marketing-Energie darauf verwenden, Fingerabdrucksysteme von der eigenen Technik der Gesichtserkennung abzugrenzen.

Während bei der Erklärung bestimmter Hypes Einigkeit unter den Fachleuten herrscht, gehen die Ansichten bei der Frage nach der Anfälligkeit der IT-Branche insgesamt weit auseinander. "Mit dem Internet hat sich eine grundlegende Offenheit für alles Neue etabliert", meint Oellers. Dagegen verweist Hilgers auf den Dot-Com-Boom, der zu viel Geld ins Marketing gespült habe. Und während Lehr die MedienMedien für voreingenommen hält, bedauert von Foerster den Mangel an sachlichen Informationen. Top-Firmen der Branche Medien

Übersetzungsfehler produzieren Hypes mit

Darin schwingt die Aufforderung mit, Journalisten möchten ihre Rolle doch überdenken. Der Anknüpfungspunkt ist klar: Der Hype ergreift meist neue Themen, mit denen sich naturgemäß auch die Medien befassen. "Im schlimmsten Fall lassen sie sich dabei als Multiplikatoren einsetzen, die Vorabinformationen mit positiven Berichten erkaufen", so von Foerster. Allerdings seien Journalisten bei der Darstellungen technischer Visionen oft auf kargen Input angewiesen. Die Folge: Übersetzungsfehler. "Die in der technischen Fachsprache durch Definitionen ausgeklammerte Mehrdeutigkeit hält Einzug und eröffnet Interpretationsspielräume", diagnostiziert von Foerster.

Auf einer anderen Ebene setzt Alexander Linden an. Der Research Director kartiert jährlich den Hype-Cycle von Gartner. Dazu stellt er den Zyklus in Beziehung zum Potenzial einer Technik, sowohl in geschäftlicher Hinsicht als auch mit Blick auf ihren Gestaltungsraum. "Je mehr Möglichkeiten die Technik zu eröffnen verspricht, desto eher greift der Hype." Zudem trage der Mangel an Verständnis für die Implikationen einer Technik zu ihrem vermeintlichen Aufschwung bei.

Die Grenzen des Hypes zeigt Franz Liebl auf, Professor für Strategisches Marketing an der Universität Witten-Herdecke: "Vollständig Neues irritiert, weil es nicht verständlich ist." Themen und Techniken müssten an Bekanntes anschließen, um akzeptiert zu werden. Dabei spielten nicht unbedingt IT-spezifische Determinanten die entscheidende Rolle. Liebl illustriert das am Beispiel SMS: Die Beschränkung auf Kurzmitteilungen hätte bei Jugendlichen an deren Vorliebe für Geheim-Codes appelliert.

"Letztlich reicht es nicht für einen Hype, wenn nur ein Milieu ein Thema verhandelt", relativiert Liebl das Beispiel. Es sei notwendig, dass eine Neuerung aus den technischen Zirkeln in andere Kreise durchsickere. Erst wenn eine Technik auch in den Augen von Analysten und Journalisten Bestand habe, könnten diese ihren Beitrag zu einem neuen Hype leisten. Womöglich schaukeln sich die Parteien dabei gegenseitig auf. Und letztlich sind's dann alle gewesen.

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