Karrierewege von CIOs

Beschleunigt der Doktortitel die Karriere?

Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Eine Promotion kostet Zeit und Nerven. Viele Studierende starten deshalb lieber direkt ins Berufsleben.
Eine Promotion kostet Zeit und Nerven. Viele Studierende starten deshalb lieber direkt ins Berufsleben.
Foto: Marco2811 - Fotolia.com

Michael Müller-Wünsch arbeitet seit mehr als 25 Jahren in der IT-Branche. Doch er kann sich nicht erinnern, in dieser Zeit jemals explizit einen neuen Mitarbeiter mit Doktortitel gesucht zu haben. "In manchen Industrien und Anwendungsgebieten ist eine Promotion durchaus sinnvoll und karrierefördernd", glaubt der Lekkerland-CIO und nennt Beispiele: "Neben universitären Forschungsstellen kann eine Promotion in der medizinischen Softwareentwicklung sowie der Chemie- oder Pharmabranche nützlich sein", so der 51-Jährige. Dagegen spiele der Titel für Management-Aufgaben oder den Leiter eines Rechenzentrums kaum eine Rolle.

Personalberater Humbert sieht es ähnlich. Auch für ihn ist eine Promotion in Informatik außerhalb des universitären Kosmos irrelevant. Einem IT-Absolventen nach dem Master-Abschluss rät Humbert deshalb zur sorgfältigen Abwägung: "Finanzielle Vorteile bringt eine Promotion nur in den seltensten Fällen." Ihre Soft Skills könnten Doktoranden dagegen in dieser Zeit weiterentwickeln, ebenso methodisches und strukturiertes Arbeiten: "Wer ein spannendes Thema, Spaß am Forschen und Lernen sowie eine gute finanzielle Basis mitbringt, soll ruhig eine Doktorarbeit beginnen."

Jedoch warnt der Personalberater davor, mit einer Promotion den Berufseinstieg hinauszuschieben. Manche Informatiker forschten auch an einem innovativen Thema, mit dem sie später ein eigenes Unternehmen gründen oder sich direkt mit diesem Projekt bei einer Firma bewerben könnten. Das sei auf jeden Fall eine interessante Option.

Mit dem Doktortitel überqualifiziert?

In den Naturwissenschaften gilt der Weg zum Doktortitel als anspruchsvoll und mit Rückschlägen gepflastert. Der Titel allein verhilft zwar selten zu einem interessanten Job, doch wer während der Promotion Kongresse besucht, Vorträge hält und Fachbeiträge schreibt, baut sich ein wichtiges Netzwerk auf.

Durch die Bachelor- und Master-Studiengänge sieht Lekkerland-CIO Müller-Wünsch die Gefahr, dass sich künftig weniger Studenten einer Doktorarbeit widmen. Außerdem sieht er deutliche Qualitätsunterschiede, in welchem Fach jemand einen Doktortitel erwirbt: "Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften gilt eine Promotion als Qualitätsmaßstab", ist Müller-Wünsch überzeugt.

Allerdings gibt es auch das Vorurteil, promovierte Bewerber als überqualifiziert einzustufen. "Es ist wichtig, den Innovationsaspekt einer Doktorarbeit in den Vordergrund zu stellen. Wer promoviert, betritt Neuland, möchte einen Wissenszuwachs generieren und beweist sich im Wettbewerb mit anderen. Das erfordert auch Mut", weiß der Informatiker aus eigener Erfahrung.

Kienbaum-Geschäftsführer Sörge Drosten machte die Erfahrung, dass ein Doktortitel in vielen US-amerikanischen Unternehmen praktisch keine Rolle spielt.
Kienbaum-Geschäftsführer Sörge Drosten machte die Erfahrung, dass ein Doktortitel in vielen US-amerikanischen Unternehmen praktisch keine Rolle spielt.
Foto: Kienbaum

In vielen US-amerikanischen Unternehmen zählt ein Doktortitel wenig. Diese Erfahrung musste Sörge Drosten machen, als er nach seinem Doppelstudium in Betriebswirtschaft und Psychologie seine Hochschulausbildung mit einer Promotion abschloss. In seinem ersten Job bei Hewlett-Packard sollte der Doktortitel nicht einmal auf der Visitenkarte stehen. "Die Kollegen dort nennen sich alle beim Vornamen, im Arbeitsalltag spielt der Titel überhaupt keine Rolle", berichtet Drosten.

Im Maschinenbau bringt der Titel den CIOs Ansehen

Heute verantwortet Drosten als Geschäftsführer von Kienbaum Executive Consultants International in Düsseldorf den Sektor Technologie, CIO und IT. Regelmäßig spricht der Manager auch mit promovierten Informatikern. "Bei den CIO-Positionen kommt es auf die Branche an. In der chemischen Industrie steigt das Ansehen, wenn der CIO einen Doktortitel mitbringt, auch im konservativ geprägten Maschinenbau ist er empfehlenswert", so Drostens Erfahrung. Auch IT-Unternehmen engagierten in ihren Entwicklungsabteilungen promovierte Informatiker, ebenso Forschungsinstitute.

Im Lauf einer Karriere verdrängen fachliche Kenntnisse, Berufserfahrung und erfolgreich abgeschlossene Projekte sowieso die Bedeutung des Doktorhuts. Doch Drosten ist überzeugt, dass sich eine erfolgreiche Promotion auf das GehaltGehalt auswirkt: "Einsteiger können mit 15.000 bis 20.000 Euro mehr im Jahr rechnen." Über das gesamte Arbeitsleben betrachtet lohne sich die Mühe, "kurzfristige Gehaltssprünge sind dagegen selten". Alles zu Gehalt auf CIO.de

Auch der Kienbaum-Mann prüft Bewerber mit einer Promotion genau, ob sie mit ihrer Arbeit fachlich etwas Neues geschaffen haben und umfassendes Wissen mitbringen. Drosten vergleicht eine Promotion mit einer Bergbesteigung, bei der es gilt, sich gut vorzubereiten, Ideen umzusetzen und, wenn es schwierig wird, die Route anzupassen oder auch zu ändern. "Es ist wichtig, dranzubleiben, wenn es Probleme gibt, und sich durchzubeißen", weiß Drosten aus Erfahrung. Kandidaten, die diese Qualifikationen mitbringen, hätten gute Chancen auf Spitzenpositionen. Die gerade angestoßene Plagiatsdiskussion hält Drosten für sehr wichtig: "Heute ist das Verfahren transparenter, und wer seine Arbeit fälschen möchte, sollte sich das gut überlegen."

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