Aufstand im Büro

Chef-Mobbing

26.03.2019
Von Helene Endres und Klaus Werle

Unrechtsbewusstsein? Unbekannt. Schließlich geht es ja lediglich darum, eine offene Rechnung zu begleichen. Auch wenn die Rache von einem bestimmten Niveau an über die Unrechtskompensation hinausgeht und zur persönlichen Bereicherung dient. Bei der höchsten Eskalationsstufe, dem Angriff auf Leib und Leben, wird dann nicht nur das Unternehmen nachhaltig geschädigt - die Rache am Chef kann sogar bis zum Mord gehen.

"Rund fünf bis acht Prozent der Mitarbeiter bringen die Grundanlagen zu derart drastischen Formen der Rache mit", schätzt Everhard von Groote vom Team Psychologie & Sicherheit, einer Düsseldorfer Firma, die viele Dax-Unternehmen in Fällen von anonymen Drohbriefen oder Erpressungen berät.

Angestellte als tickende Zeitbomben

Derart rabiat gehen Angestellte ironischerweise oft gerade dann vor, wenn der Vorgesetzte gar nicht persönlich gemeint ist, sondern als symbolischer Platzhalter für die Firma insgesamt steht: Die Frustration braucht ein Gesicht. So bekam der Vorstand einer großen Versicherung in Süddeutschland einen anonymen Brief, in dem es hieß: "Ich habe nichts mehr zu verlieren. Der einzige Grund für mich weiterzuleben, ist, Sie umzubringen." Psychologische und linguistische Analysen des Briefs führten schnell zum Verfasser: Ein Ex-Mitarbeiter, der einer Umstrukturierung zum Opfer gefallen war, gerade geschieden wurde, seine Kinder der Ex-Frau überlassen und aus seiner Wohnung ausziehen musste.

Eine klassische Konstellation. Denn damit tatsächlich ein Angestellter zu Revolver oder Buschmesser greift, müssen meist drei Faktoren zusammentreffen: eine extreme, lang andauernde Stress-Situation, ausgelöst etwa durch Überforderung oder Angst vor Jobverlust. Fehlende Loyalität und Identifikation mit der Firma als Folge von Fusionen, Übernahmen, Restrukturierungen. Und: massive private Probleme.

Oft bevor der Chef etwas merkt, hat sich sein treuer Angestellter so in eine tickende Zeitbombe verwandelt. "Die beste Tätertarnung ist die Arroganz derer, die glauben zu wissen, was einen Täter ausmacht", sagt Thomas Müller.

Zur Startseite