Der neue "Steuermann"

Chinas Präsident greift nach der ganzen Macht

13.11.2013
Es kam überraschend: Statt mutige Wirtschaftsreformen anzukündigen, baute Chinas "starker Mann" Xi Jinping vielmehr seine Macht aus. Er herrscht jetzt über alle Sicherheitsorgane. Das weckt Besorgnisse.

Mit einem Schlag hat Chinas neuer Präsident Xi Jinping die rivalisierenden und häufig eigenmächtig handelnden Sicherheitsorgane unter seine Kontrolle gebracht. In einem neuen staatlichen Sicherheitskomitee übernimmt Chinas "starker Mann" die Befehlsgewalt über die innere Sicherheit, die Geheimdienste, das Militär und die Außenpolitik. Die FührungFührung des neuen Gremiums verleiht dem 60-Jährigen mehr Einfluss als seine direkten Vorgänger je hatten. Alles zu Führung auf CIO.de

"Xi Jinping besitzt damit eine neue politische Struktur, die über das Politbüro und die Partei hinausgeht", erklärte Professor Wu Qiang von der renommierten Tsinghua Universität der dpa in Peking. "Es wird seine persönliche Autorität deutlich stärken." Er verfüge damit über eine "bedeutende Machtplattform" für die nächsten zehn Jahre.

So viel Einfluss dürfte vielleicht zuletzt der Reformarchitekt Deng Xiaoping oder der "große Steuermann" und Revolutionär Mao Tsetung gehabt haben. Auch das Parteiorgan "Volkszeitung" schreibt über das mächtige Komitee: "Seine Funktionen dürften einflussreicher sein als irgendeine andere Institution für staatliche Sicherheit in Chinas Geschichte."

Mit dem Aufstieg als globale Macht wachsen natürlich auch Chinas Herausforderungen. In plötzlichen Krisen war in Peking häufig niemand ans Telefon zu bekommen. Zuständigkeiten überlappen sich. Auch innenpolitisch wachsen die Probleme. Gesellschaftliche Konflikte nehmen zu - ähnlich die Zwischenfälle mit Minderheiten wie in Tibet oder dem muslimisch bewohnten Xinjiang. Auch eine stärker werdende, gut informierte Mittelklasse erhebt Ansprüche.

Die Schaffung des Komitees zeige auch, dass die Partei mit einem Anstieg sozialer Unruhen rechne, sagte der Forscher Nicolas Bequelin von Human Rights Watch der dpa. Die Wirtschaft sei weit entwickelt, aber es mangele an Rechtsstaatlichkeit. "Es gibt keine rechtlichen Wege, die die Menschen einschlagen könnten. So gehen sie auf die Straße." Menschenrechtsgruppen beobachteten ein neues Sicherheitskomitee deswegen eher mit Besorgnis.

Vergleiche mit dem Nationalen Sicherheitsrat der USA führen in die Irre. Denn die Idee der nationalen Sicherheit geht in China weit über das übliche Konzept hinaus: "Es geht auch um den Schutz der Diktatur der Kommunistischen Partei", sagte Bequelin. "Selbst das Internet wird als Frage der nationalen Sicherheit betrachtet." So würden Zensur gerechtfertigt und freie Meinungsäußerung beschränkt. Ähnlich werde die Unterdrückung von Tibetern oder Uiguren begründet: "Viele Menschenrechtsverletzungen werden im Namen der nationalen Sicherheit begangen", sagte der Forscher.

Allerdings hat der Sicherheitsapparat, der zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking zusätzlich aufgepäppelt wurde, zunehmend ein unkontrolliertes Eigenleben geführt. Er habe sich zum Staat im Staate entwickelt, sagen Beobachter. Auch die Kontrolle über die paramilitärische Truppe der "Bewaffneten Polizei", die für innere Sicherheit verantwortlich ist, scheint nicht klar.

Es gab schon erste Anzeichen, dass sich die Zeiten ändern. So laufen Korruptionsermittlungen gegen den früheren "Sicherheitszar" Zhou Yongkang. Er soll unter anderem im Ständigen Ausschuss des Politbüros versucht haben, den Sturz des inzwischen wegen Korruption und Machtmissbrauchs zu lebenslanger Haft verurteilten Spitzenpolitikers Bo Xilai zu verhindern, der einst in die neue Führung aufsteigen wollte.

Allerhöchste Zeit also für Xi Jinping die Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen, findet die "Volkszeitung". Eine Liberalisierung ist von ihm allerdings nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil: Ohne Gnade geht der neue Staats- und Parteichef sowohl gegen Rivalen als auch Bürgerrechtler vor, die als Gefahr für die Stabilität und die Partei angesehen werden. "Eben alles eine Frage der nationalen Sicherheit", sagt Forscher Bequelin. (dpa/rs)

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