Hamburger IT-Strategietage


Hamburger IT-Strategietage 2015

CIOs, lernt Nein zu sagen!



Rainer Janßen ist CIO der Munich Re.
CIO Rainer Janßen von der Munich Re zählt zehn Punkte auf, die einem das Leben eines CIO immer wieder verleiden. Er sagt, was sich ändern muss, wenn er als CIO wiedergeboren werden möchte.
Munich RE CIO Rainer Janßen sprach Klartext auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Munich RE CIO Rainer Janßen sprach Klartext auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

511 Tage sagt der Arbeitstagerechner im Internet. Soviel Tage noch bis zu meiner Pensionierung am Tage dieses Vortrags auf den Hamburger IT-Strategietagen. Da schaut man schon mal zurück auf sein Arbeitsleben und fragt sich, ob man das im nächsten Leben wieder so tun möchte.

Hätte man nicht vielleicht doch lieber, statt eine harte Wissenschaft zu studieren, um dann schließlich bei der niederen Kaste der internen Dienstleister, Kostenverursacher und Strategie-Verhinderer im Keller des Unternehmens zu landen, sich das Leben etwas leichter machen sollen? Vielleicht gleich die richtige Wahl treffen mit dem Studium und keine Wissenschaft, sondern eine Berufsausbildung zum Juristen oder Kaufmann wählen?

Dann hätte mir möglicherweise auch der Weg offen gestanden zu den Positionen in der Sonne, wo die Welt gestaltet wird, das wirkliche Leben pulsiert, unbelastet von den Niederungen technischer Gestaltungsmöglichkeiten? Und wenn was schief geht, ist man nie schuld, sondern immer IT?

Es hat mir ja manches in meinem Beruf durchaus Spaß gemacht, aber ich habe doch immer wieder mit einer Reihe von Themen gekämpft, die mir das Leben so verleidet haben, dass ich nun auch froh bin, diesen Job bald hinter mir zu lassen. Da ich aus vielen Gesprächen, Workshops, Konferenzen mit Kollegen weiß, dass dies alles keine Probleme meines konkreten Umfelds, meiner Branche, gar meiner Firma sind, sondern ziemlich generisch und flächenendeckend für alle Branchen, alle Unternehmensgrößen , alle Unternehmensformen gilt, erlaube ich mir, dies hier einmal zu dokumentieren.

Die Reihenfolge bedeutet keine Priorisierung und bei vielen Themen haben wir es durchaus selbst als CIO Community in der Hand, die Umstände zu verbessern, aber ich erlaube mir auch, einige grundsätzliche Schwächen außerhalb unserer direkten Zuständigkeit anzusprechen.

1. Der CIO begibt sich auf Augenhöhe und lernt den aufrechten Gang

In den meisten Unternehmen, die ich kennengelernt habe, ist die IT der komplexeste Unternehmensbereich: Er erbt die fachliche und prozessuale Komplexität aller Fachbereiche, hat darüber hinaus die übergreifende Integrationsverantwortung und muss dies mit den weiteren Problemschichten der IT wie technische Architektur, projektmäßige Umsetzung und operative Bereitstellung zusammenbringen.

Darüber hinaus ist die IT ja zunehmend wie die Debatte um Digitalisierung aktuell zeigt, nicht einfacher Umsetzer von Geschäftsstrategie, ja nicht einmal reiner Ermöglicher (Enabler) von Geschäftsstrategien, sondern die IT ist vielfach der Bestimmer, was denn an Geschäftsstrategie überhaupt sinnvoll und darstellbar ist.

Es gibt also keinen Grund, sich immer in die Dienerposition zu begeben (IT Strategie folgt der Geschäftsstrategie). Oft ist die typische Geschäftsstrategie ja sowieso so vage formuliert, dass man nichts daraus ableiten kann: Wir machen viel Umsatz, verdienen viel Geld und unsere Kunden lieben uns! Wir müssen klar den Anspruch formulieren, bei der Strategieformulierung dabei zu sein, alles andere macht keinen Sinn. Und noch mehr müssen wir lernen Nein zu sagen zu unsinnigen Forderungen der Fachbereiche.

Immer wieder lassen wir uns Termine diktieren, die unmöglich sind (nur Y2K haben wir nicht verschoben), lassen Anforderungen zu, die Standardprodukte zu Eigenentwicklungen machen usw. Wenn der Produktionschef eines Automobilwerks den Entwicklern klar machen kann, dass nach Beginn der Freeze-Zone bei Anlauf einer neuen Modellreihe wirklich absolut kein neues Feature mehr in das Modell reinkommt, warum können wir das nicht?

Wir weinen hier immer rum, dass man uns ja nicht zuhört, diskutieren auf Tagungen unsere Rolle und unser Selbstverständnis und ob wir nicht in den Vorstand gehörten. Dabei wird sicher auch durch die Beförderung in den Vorstand ein dienernder Ja-Sager nicht zum selbstbewussten Vertreter von IT Realitäten und Notwendigkeiten. Kurz und gut, Kollegen: Steht auf von der Couch und lernt Nein sagen!

2. Es gibt Unternehmensberatungen, die beraten (können)

Unternehmensberatung ist eine Waldbrandwissenschaft: Wie die Indios im Urwald brennt man erst ein Stück Wald ab, nutzt die Düngung durch die Asche für eine mehrjährige Ernte und nimmt sich dann den nächsten Wald vor. Wenn dann auf dem ersten Stück Land wieder Wald gewachsen ist, kehrt man dorthin zurück.

So sucht man also erst einmal nach Synergien, Kosten-Effizienz, schlanken Organisationen - und zentralisiert alles. Wenn dann alle Unternehmen auf Best Practise getrimmt sind, geht es munter zum nächsten Waldstück. Nun gilt es nahe am Kunden zu sein, flexibel, der Marktdynamik gewachsen - und es wird eifrig dezentralisiert. Und dann holt man die alten Folien wieder raus und beginnt von vorn.

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