Hamburger IT-Strategietage


Hamburger IT-Strategietage 2015

CIOs, lernt Nein zu sagen!



Rainer Janßen ist CIO der Munich Re.

Die IT ist da anders, demokratischer. Wir lassen jeden ran, an alles. Für die Eröffnung einer Kneipe muss man wahrscheinlich mehr Kenntnisse nachweisen als für die Gründung einer Softwarefirma. Wenn es denn Zertifizierungen gibt, dann sind es Herstellerzertifizierungen. Der Statiker wird also von einer ihm geneigten Betonfirma als Statiker zertifiziert? Dafür haben wir dann auch gegenüber unseren Kunden keinerlei Rechte. Viele schimpfen sich zwar Architekt, aber keiner unserer Architekten hat eine nur annähernde Macht über sein Design wie der richtige Architekt. Wenn wir einen Sportwagen designen und der Kunde einen Abschleppkran daran gebaut haben will, dann machen wir das.

Ich verstehe nicht, dass wir als Community diesen Zustand so klaglos akzeptieren. Noch weniger kann ich verstehen, dass die Gesellschaft dies akzeptiert. Die von uns gebauten Infrastrukturen sind nicht ohne Grund als hochkritisch eingestuft. Es wird intensiv das Risiko diskutiert, dass diese Strukturen durch Hacker zerstört werden können. Aber vielleicht fällt das Werk ja auch in sich zusammen, weil es von Laien gebaut wurde? Ein Kugelfisch-Sushi lässt man sich doch auch nur von Spezialisten zubereiten.

Die zweite in der Überschrift enthaltene Forderung ist auf den ersten Blick vielleicht etwas philosophisch und ich will sie nur noch kurz streifen. Die Informatik hatte bei ihrer Begründung zwei Ursprünge: Mathematik und Elektrotechnik. Beide Wissenschaften haben ganz unterschiedliche Herangehensweisen. In der Mathematik glaubt man eigentlich immer daran, dass es die richtige Lösung gibt, während ein Ingenieur Murphy's Law als Grundvoraussetzung seiner Arbeit hinnimmt.

Ein Mathematiker versucht ein System zu bauen, dass ausfallsicher ist. Ein Ingenieur baut ein System, dass sicher - in einen sicheren Zustand, nicht mit Sicherheit - ausfällt. Dies resultiert in zwei völlig unterschiedlichen Herangehensweisen, wobei ich, selber Mathematiker, die des Ingenieurs bevorzuge. Im Hinblick auf die Ausbildungskurse an unseren Hochschulen wäre es schon wichtig, sich einmal grundsätzlich auf die Denkschule, in der ausgebildet wird, zu verständigen.

9. Echte Diversity hält im Management Einzug

Eine Gruppe Top-Manager macht während eines Workshops eine Übung zum Team-Building. Sie sollen die Höhe des Fahnenmastes vor dem Seminargebäude bestimmen. Sie schleppen eifrig Tische und Stühle nach draußen und bauen einen immer wackliger werdenden Turm, aber es reicht nicht bis zur Spitze des Mastes. Da kommt ein Ingenieur um die Ecke und fragt, was sie da machen.

Er hört es sich an, lässt sich Werkzeug geben und schraubt am Boden die Befestigungsschrauben des Mastes los, legt ihn flach, misst ihn am Boden liegend, teilt das Ergebnis (13,20m) mit und verschwindet. Die Manager schauen sich an und einer meint: "Deshalb nehmen wir die nicht in Vorstand! Wir wollten die Höhe wissen und er sagt uns wie breit der Mast ist!"

Wie reden heute so viel über Diversity in den Führungsgremien, aber immer über äußerliche Diversity, also Geschlechter, Nationalität, Alter etc. Dabei ist es doch viel wichtiger, Menschen mit unterschiedlichen Denkstrukturen und Erfahrungswerten in den Gremien zu haben. Wenn diese Diversity vorhanden wäre, dann brauchte man auch nicht immer darüber philosophieren, ob denn der CIO im Vorstand sein müsste, weil auf jeden Fall jemand da ist, der Verständnis für die Denke des CIO hat. Dies stellen die anderen Kriterien keineswegs sicher, so haben wir in der IT Branche genug Topmanagerinnen erlebt, die keineswegs eine neue Denke in ihre Unternehmen hereingebracht haben.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin sehr dafür, dass die Chancengleichheit verstärkt wird, aber für die Organisationen ist es nicht so wichtig, ob verschiedene Geschlechter, Nationen etc. in der Führungsebene vertreten sind, sondern ob verschiedene Denkstrukturen vertreten sind

10. Wir verwenden mehr Zeit auf Denken, weniger auf Kommunikation

Ein Mann betritt das Arztzimmer. Ihm ist ein dicker grüner Frosch an der Stirn festgewachsen. Fragt der Arzt: "Wie ist das denn entstanden?" Sagt der Frosch: "Es fing alles mit einer Warze am rechten Fuß an!"

Das scheint mir ein gutes Bild für die Entwicklung, die unsere ganzen modernen Kommunikationssysteme von MailMail über Smartphone zu iPhoneiPhone, sowie FacebookFacebook, TwitterTwitter, Blogs und WhatsApp genommen haben. Wir sind nicht mehr die Nutzer dieser Technologien und Systeme, sondern sie sind der Zweck, dem wir unsere Daumen zur Verfügung zu stellen haben. Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Mail auf CIO.de Alles zu Twitter auf CIO.de Alles zu iPhone auf CIO.de

Da aber über alle Jahre hinweg der Zeitraum eines Tages konstant geblieben ist, müssen wir all diese Zeit, die wir nun diesen Instrumenten widmen irgendwo anders einsparen. Nach meiner Beobachtung sind die Effizienzgewinne keineswegs so hoch, wie die die eingesetzte Zeit, und ich fürchte, die meisten Manager sparen die Zeit für die Bedienung dieser Technologien beim Nachdenken ein.

Dies widerspricht fundamental meinem beruflichen Selbstverständnis. Ich rede mir immer noch ein, dass meine gesamte Ausbildung nur ein Training meiner biologischen CPU war. Und das genau die Verwendung dieser biologischen CPU zum Wohle meines Arbeitgebers und seiner Kunden der Gegenstand meines Arbeitsvertrages ist. Und ich glaube, dass viele der vorher beschriebenen Probleme nicht oder wenigstens nicht so stark existieren würden, wenn die verschiedenen Stakeholder in unserem Geschäft, aber besonders die CIOs selbst, häufiger mal nachdenken würden.

Wenn Sie also etwas konkret verändern wollen, setzen Sie sich Montag an Ihren Kalender und tragen Sie sich mal einen wöchentlichen Termin von einer Stunde ein.

Betreff: Nachdenken. Machen Sie die Tür zu und schalten Sie alle Kommunikation zur Außenwelt ab, legen Sie die Füße auf den Tisch. Es ist zuerst ein bisschen unangenehm, weil man sich nicht von eventueller Leere und dem Nichtvorhandensein von Ideen ablenken kann. Auch muss man erst die Angst überwinden, was man jetzt alles versäumen könnte, aber das wird schon. Nur Mut, Sie schaffen das!

Zum Schluss: Werden sich die Wünsche erfüllen? Wird der CIO Beruf zum Traumjob der Zukunft? Sicher nicht. Aber ein bisschen besser könnten Sie alle ihn machen. Geben Sie nicht auf, es lohnt sich.

Rainer Janßen ist CIO der Munich RE

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