Prozessbeginn: Die Rivalen im Vergleich

Das Duell Oracle gegen SAP

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Die Walldorfer weisen zwar mit 24 Prozent gegenüber Oracles 26 Prozent noch die geringere Umsatzrendite auf, aber der Trend spricht für SAP. Nur 1 Prozentpunkt Verlust gegenüber 8 Prozentpunkten bei Oracle. Die Software-Umsätze legten bei beiden um ein Viertel zu, aber damit behalten die US-Amerikaner einen Vorsprung: 1,3 Milliarden Dollar gegenüber 903 Millionen. Dafür holte SAP beim Service- und Support-Umsatz auf: Ein Zuwachs um 20 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar gegenüber 11 Prozent auf 3,5 Milliarden bei Oracle. Bisher somit 3:2 für Oracle. Weil Oracle aber die Analysten-Erwartungen übererfüllte und SAP hier zurückblieb, folgt das 4:2 auf dem Fuße.

Oracle beeindruckt mit Cash Flow

Nach hartem, ergebnisorientiertem Auftakt Zeit, auch auf Stil und Figur zu achten. Wailgum vergibt die besseren B-Noten ins Badener Land. Zunächst für die Positionierung auf der Bilanzversammlung. Oracle-CEO Larry Ellison bestritt dort, dass es ein Hardware- und ein Software-Geschäft gebe. "Wir müssen Systeme verkaufen", so Ellison. Wailgum überzeugte da schon mehr die von SAP-Co-CEO Bill McDermott ausgegebene Losung: "Anders als andere arbeiten wir eng mit unseren Partnern zusammen. Wir entfremden sie nicht."

Selbstbewusst und bei sich ist nach Ansicht des Beobachters der, der sich bei internen Bilanzdiskussionen nicht ständig über den Gegner definiert. SAP-Vorstände erwähnten Oracle viermal, umgekehrt geschah das 20 mal. Und wie definieren die Rivalen "Offenheit"? "Unsere Kunden merken, dass es viel besser ist, offene und integrierte Lösungen von uns zu kaufen als diskrete Komponenten von einem halben Dutzend einzelner Anbieter", argumentierte Oracle-Manager Safra Catz. Zum Vergleich SAP-Mann McDermott: "Unsere Strategie geht auf, weil Firmen Schnelligkeit und Ungebundenheit wollen. Und ein Unternehmen als Partner, das ein offenes Ökosystem hat – eines, das Kunden nicht in den Keller sperrt, sondern ihnen Wahlmöglichkeiten eröffnet." Spektakuläre Wende in diesem Spiel. SAP geht mit 5:4 in Führung.

Aber Oracle gelingt der postwende Ausgleich, weil es mit einer beeindruckenden Zahl aufwarten kann. Ein über zwölf Monate gerechneter operativer Cashflow von 8,8 Milliarden Dollar übertrifft die 3,3 Milliarden Dollar deutlich, mit denen SAP in neun Monaten aufwarten konnte.

Der Rechtsstreit zwischen den Kontrahenten ist zwar noch nicht entschieden. Aber die Außenwirkung kalkuliert Wailgum schon einmal mit ein. Er vermutet, dass Larry Ellison wieder einmal Sun Tzus altchinesischen Klassiker "Die Kunst des Krieges" neben dem Bett liegen hat. Jedenfalls setze sich Oracle mit einer unangenehmen Attitüde moralischer Überlegenheit darüber hinweg, dass SAP längst die weiße Flagge gehisst habe. Unabhängig vom Urteil in Kalifornien also Treffer für SAP.

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