Analysten-Kolumne

Denk ich an Deutschland in der Nacht…

Andreas Stiehler ist Principal Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC).
Die Deutschland-Manager international aufgestellter Outsourcing-Anbieter sind nicht zu beneiden. Neben schwerem Essen und wenig Sonnenschein müssen sie sich mit der Zurückhaltung deutscher Unternehmen beim Outsourcing insgesamt und speziell mit neuen Themen wie BPO (Business Process Outsourcing) und Offshoring auseinandersetzen.

Dabei scheint die Größe des deutschen Auslagerungsmarktes gewaltig. Accenture etwa schätzte das Einsparpotenzial durch BPO hierzulande auf 40 Milliarden Euro und rief bei dieser Gelegenheit gleich die "dritte Revolution der Wertschöpfung in der Praxis" aus.

Nach Fließbandproduktion (Revolution Nr.1) und Reduzierung der Fertigungstiefe (Nr.2) sollen nun unterstützende Prozesse an spezialisierte Provider ausgelagert werden (Nr.3). Die Outsourcing-Spezialisten, so die Idee, können mittels ihrer Expertise, der Ausnutzung von Skaleneffekten und dem Einsatz von Offshore-Ressourcen diese Leistungen wesentlich effizienter anbieten. Schließlich, so Accenture, laufen den Unternehmen im deutschsprachigen Raum die Verwaltungskosten aus dem Ruder. Die Lösung scheint offensichtlich: Alles raus, was nicht Kernkompetenz ist! Die Revolution erfasst Finanz- und Rechnungswesen, Einkauf und Logistik, Personalwesen und IT - alles heiße Kandidaten für die Auslagerung.

Angesichts des bislang ungehobenen Marktpotenzials ist es kein Wunder, dass vermehrt auch Anbieter aus dem Ausland, ob aus den USA, Großbritannien oder Indien, den deutschen Markt entdecken und ihren Deutschland-Managern mit ambitionierten Zielvorgaben das Leben schwer machen. Die Erschließung des deutschen Marktes dürfte doch nicht so schwer sein, oder? Schließlich - so lernt es jeder Volkswirt - lässt doch kein vernünftig agierendes Unternehmen Geld auf der Straße liegen. Zudem dürfte die Liebe der Deutschen zu klar definierten (wenn auch manchmal umständlichen) Ablaufschemen das Auslagern ganzer Business-Prozesse noch erleichtern.

Last but not least scheinen auch die deutschen Unternehmen dem Outsourcing-Paradigma nicht gänzlich abgeneigt - zumindest im IT-Umfeld. Laut Ergebnissen des EU-Projektes e-Business W@tch, in dem Berlecon Partner ist, hatten im Jahr 2005 bereits mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern IT-Aufgaben an spezialisierte Provider ausgelagert. Bei Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern liegt der Prozentsatz sogar schon bei knapp 90 Prozent. Basis der Untersuchung war eine EU-weite Befragung von IT-Verantwortlichen aus Unternehmen in zehn verschiedenen Branchen.

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