"Mr. Amazing" verlässt SAP

Der erstaunliche Vishal Sikka

05.05.2014
12 Jahre verbrachte Vishal Sikka bei SAP. "Mehr als ein Viertel meines Lebens" schreibt er in einem jüngeren Blogeintrag. Künftig muss der Softwarekonzern ohne den gebürtigen Inder auskommen, der als einer der brillantesten Köpfe bei dem Softwarekonzern galt.

Sein Lieblingswort "Amazing" dürfte wohl auch das ein oder andere Mal auf den scheidenden SAP-Technikvorstand Vishal Sikka verwandt worden sein. Das englische Wort, das mit "erstaunlich", aber auch "verblüffend" übersetzt werden kann, durfte in keiner von Sikkas Rede fehlen. So häufig baute Sikka es in Reden ein, dass er schon von Zuhörern dafür aufgezogen wurde.

Der 46-Jährige, der am Sonntag überraschend aus persönlichen Gründen seinen Rückzug aus dem SAP-Vorstand bekanntgab, galt als der brillante Kopf im Vorstand des Softwarekonzerns, die unangefochtene technologische Autorität neben SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner. Nach der Ankündigung des Rückzugs von Co-CEO Jim Hagemann Snabe im vergangenen Sommer sahen manche in ihm sogar den starken zweiten Mann neben dem künftig alleinherrschenden Vorstandschef Bill McDermott.

2002 hatte SAPSAP den gebürtige Inder gewonnen. Erst kümmerte sich Sikka um strategisch wichtige Softwareprojekte. 2007 machte der damalige SAP-Chef Henning Kagermann ihn zum allerersten Technikchef des Softwarekonzerns. 2010, als Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott das Ruder als Doppelspitze bei dem Softwarekonzern übernahmen, zog Sikka ebenfalls in den Vorstand ein. Alles zu SAP auf CIO.de

Sikka wuchs als Sohn eines Eisenbahners in Indien auf. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen Kindern nahe einer SAP-Niederlassung in Palo Alto. 1996 verlieh im die Elite-Uni Stanford seinen Doktortitel. Vor seiner Zeit bei SAP gründete Sikka unter anderem zwei Startups, die er verkaufte.

Seine Hauptaufgabe in den vergangenen Jahren war das technologische Erbe des SAP-Mitgründers Hasso Plattner: Die superschnelle Datenbanktechnologie Hana, mit deren Entwicklung sich Plattner jahrelang beschäftigt hat. Der machte nie einen Hehl daraus, dass er große Stücke auf Sikka hielt: "Unsere Freundschaft wird auch in Zukunft bestehen bleiben", ließ er zu seinem Abschied mitteilen.

Sikka war der SAP-Vorstand, der selbst die drögeste Technikvorstellung mit Humor nahm. Als Kritik aufkam, dass Kunden seine neue Technologie zu teuer sei, entgegnete er in einem Interview: "In Indien gibt es ein Sprichwort: Du kannst kein Kamel für den Preis eines Schafes kaufen", und lachte selbst am längsten über den Witz. In Telefonkonferenzen mit Vorstandskollegen hörte man ihn auch mal weiterkichern, wenn der Rest schon drei Fragen weiter war.

Vor allem aber war Sikka auch eine Art philosophischer Vordenker des Konzerns: Er verfolgt eine Vision von zeitloser Software, die sich selbst mit den Menschen weiterentwickelte. Vor wenigen Tagen verteidigte Sikka in einem Blogeintrag die Führungsmannschaft von SAP gegen Kritik in einem Artikel: Als er vor zwölf Jahren zu der Firma gekommen sei, habe er sich von Hermann Hesse's "Siddharta" inspirieren lassen, schrieb er und zitierte den deutschen Autor, als nehme er seinen Abschied schon vorweg: "Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht." (dpa/rs)

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