Die Auswirkungen von Industrie 4.0

Der IT-Arbeitsmarkt 2025

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Stellenverdopplung für die IT

Im Bereich IT und Datenintegration ist nach BCG-Einschätzung in etwa mit einer Verdopplung der bisherigen Stellenzahl zu rechnen. Konkret sei das größte Wachstum bei industriellen Data Scientists mit voraussichtlich 70.000 neuen Stellen zu erwarten. Zunehmen werde auch der Bedarf an IT Solution-Architekten und User Interface-Designern. Je mehr Roboter eingesetzt werden, desto größer werde auch die Nachfrage nach einer gänzlich neuen Rolle: Roboter-Koordinatoren. Schätzungsweise 40.000 davon werden laut Analyse in Bälde gebraucht.

Jenseits der genannten Spezialkräfte erwartet Boston Consulting 70.000 neue Jobs in der Wachstumsbranche intelligenter Maschinenbau. Zu begrenzen seien demgegenüber die Hoffnungen auf zusätzliche Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und in der Metallbranche.

Neben dieser quantitativen Prognosen beschreiben die Analysten auch einen qualitativen Wandel: die zu erwartende Veränderung des Charakters von Arbeit im Zeitalter der Industrie 4.0. BCG macht das an drei konkreten Beispielen fest:

1. Fließbandarbeiter

Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie zum Beispiel werden künftig von schweren Hubarbeiten entlastet, weil Roboter ihnen diese Lasten abnehmen

2. Maschinenführer

Maschinenführer überwachen demnächst vor allem Monitor-Displays - Performance- und Qualitätskontrollen, die von automatisierten Systemen bereitgestellt werden. Anders als bisher werden diese Mitarbeiter versiert im Umgang mit digitalen Geräten und mit Software sein müssen.

3. Mobile Service-Techniker

Besonders signifikant erscheinen die Veränderungen der Tätigkeit von mobilen Service-Technikern. Bislang werden sie gerufen, wenn es etwas zu reparieren gibt - mit der Nebenwirkung, dass ein guter Teil ihres Arbeitstages auf der Straße stattfindet, auf dem Weg von einem Termin zum nächsten. "Industrie 4.0 wird durch Technologie unterstützte, vorausschauende Wartung erlauben", heißt es in der BCG-Analyse. Die Techniker werden demnach schon bald Echtzeitdaten überwachen, um Defekte proaktiv zu identifizieren. Möglich wird so die passgenaue Bereitstellung von Ersatzteilen, mit denen es dann zum Einsatz vor Ort geht - Bündelung der Aktivitäten inklusive. Bei den Reparaturarbeiten gibt es Unterstützung durch Augmented Reality-Technologie, die Dokumentation der Arbeit erfolgt automatisch.

Mitarbeiter müssen offen für Veränderungen sein

Um den prognostizierten Wandel zu bewältigen, sind nach Ansicht der Autoren Veränderungen in den Unternehmen ebenso nötig wie im Bildungssystem und in der Politik. Industriefirmen benötigen demnach eine strategische Belegschaftsplanung. Sie sollten ihre Mitarbeiter für Industrie 4.0 schulen und auch gezielt in dieser Richtung rekrutieren.

Eine Folge des angeführten Beispiels: Bei der Einstellung von Mechanikern ist es womöglich weniger wichtig, dass diese Erfahrung in der Reparatur bestimmter Maschinen haben. Entscheidender ist vielleicht, dass der Techniker offen für Veränderungen ist, mit IT-Schnittstellen umgehen kann und während der laufenden Produktion eingreifen kann.

Neue Arbeits- und Organisationsmodelle

BCG empfiehlt den Firmen auch neue Arbeits- und Organisationsmodelle. Konkret gemeint sind damit zum einen Klassiker wie flachere Hierarchien und flexiblere Strukturen. Im Artikel heißt es aber auch: "Industrie 4.0 wird auch eine engere Verzahnung von IT-Abteilung und Fachbereichen erfordern, damit die Software-Entwickler gänzlich verstehen, wie ihre Lösungen in der Produktion angewendet werden, und damit im Betrieb ebenso umfänglich verstanden wird, wie ihre Produktionslinien von diesen Lösungen betroffen sind."

Die dringendste Aufforderung an die Politik ist die Schließung der Lücke an IT-Fachkräften. Bis 2025 werden laut BCG in der deutschen Industrie annähernd 120.000 Informatik-Hochschulabsolventen fehlen. "Akademische Führungskräfte sollten gemeinsam mit Arbeitsvermittlungsbehörden den Studenten aufzeigen, dass IT-Fertigkeiten künftig in allen möglichen Arbeitsbereichen benötigt werden, nicht nur für Industrie 4.0-Jobs im engeren Sinne", heißt es in der Analyse. "Und sie sollten mit dem Missverständnis aufräumen, dass diese Skills nur für Spezialisten relevant seien."

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