Die wöchentliche CIO-Kolumne

Der nächste Gegner ist immer der schwerste

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Die am häufigsten gestellte IT-Frage der letzten Jahre wandelt sich. Geht es um Outsourcing, heißt es nur noch selten "pro oder contra"; immer häufiger lautet die Frage, an welchen beziehungsweise an wie viele Dienstleister ein Outsourcing-Auftrag gehen soll. Selbst die ganz Großen geraten nämlich allzuleicht in Gefahr, sich zu verheben.

Das Feld ist grob abgesteckt. Einerlei, welchen Meinungsbekundunge nman folgt - ob zwei oder drei CIOs im Namen von IT-Strategie und Kosteneffizienz zusammen sind, ob IT-Anwender, -Anbieter, -Berater, Marktforscher und Organisationswissenschaftler nacheinander auf die Bühne und hernach gemeinsam zur Diskussion aufs Podium klettern, oder ob sich die Presse des Themas annimmt: Es herrscht Konsens darüber, dass IT-Leistungen, die ein Unternehmen nicht vom Wettbewerb unterscheiden, besser eingekauft werden sollten. Nur so, heißt es, lassen sich die Kräfte des Marktes ballen und alltägliche Aufgaben möglichst billig erledigen.

Zu den alltäglichsten Aufgabengebieten und deshalb zur Domäne der Outsourcer zählt der Desktop: Hardwarebeschaffung, Anwenderunterstützung zumindest auf dem ersten Support-Level,automatische Software-Distribution und Asset-Management. Das sind samt und sonders millionenfach erprobte Tasks, einfach zu erledigen und deshalb unkritisch. Das klassische Massengeschäft: je größer die Masse, desto geringer die Kosten pro Desktop. Ganz einfach.

Denkste. Die Kehrseite, schlaflose Nächte und längliche Diskussionen, erfährt gerade Daimler-Chrysler. Die IT-Mannschaft unter CIO Sue Unger ist im Begriff, das wohl größte Desktop-Outsourcing-Projekt aller Zeiten umzusetzen. Weltweit rund 150 000 PC-Arbeitsplätze sollen bei dem Autoriesen standardisiert, Betrieb und Verwaltung an HPHP übertragen werden. Aber seine schiere Größe - unter anderem gilt es, sämtliche Softwarepakete für den mannigfachen Bedarf des Multi-Technologiekonzerns zu konfektionieren - macht das Projekt offenbar zum Problem, selbst für den auch nicht kleinen Dienstleister. Konkret: Der Rollout eines Pilotprojekts in Deutschland hakt, weil der Auftragnehmer seit einigen Wochen die automatische Softwaredistribution nicht auf die Reihe bringt. Alles zu HP auf CIO.de

Dietrich Schreiner, Director für Global Integration, der das Projekt auf Daimler-Chrysler-Seite verantwortet, nutzte daher eine HP-Kundenveranstaltung für ein faszinierendes Lehrstück an diplomatischem Vendor-Management. Er machte klar, wie groß der Druck auf ihn ist ("Sue Unger ruft mich jede Woche an und fragt, wie es steht."), um im nächsten Satz ebenso deutlich wie höflich die versammelte HP-Services-Spitze mit ihrer Säumigkeit zu konfrontieren. Sogar ein Ultimatum brachte er in seinem charmant geschwäbelten Vortrag unter, indem er nämlich das Publikum informierte, dass die kommende (also diese, Red.) Woche entscheidend sei: Dann müsse es klappen, sonst drohe Sue Unger die Geduld zu verlieren. Man kann sich vorstellen, wie erleichtert die HP-Verantwortlichen waren, als Schreiner schloss, indem er eine goldene Brücke baute: "Ich gehe davon aus, dass wir das gemeinsam hinbekommen werden".

Aller Ehren wert ist, dass HP einen Kunden auf die Bühne bat, von dem bekannt ist, dass sein Projekt wackelt; respektabel auch, dass und wie Schreiner dieser Bitte nachkam. Es handelte sich um einen der spannendsten Vorträge auf einer Herstellerveranstaltung, die der Autor je hören durfte.

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