Deutsche Konjunktur

Deutsche Wirtschaft trotzt allen Krisen

12.01.2017
Der Welthandel schwächelt, das Brexit-Votum und der Amtsantritt von US-Präsident Trump verunsichern Wirtschaft und Politik. Doch die deutsche Konjunktur brummt. Kann Europas größte Volkswirtschaft 2017 ihr Tempo halten?
Die deutsche Wirtschaft läuft auf Hochtouren - allen politischen Unsicherheiten rund um den Globus zum Trotz.
Die deutsche Wirtschaft läuft auf Hochtouren - allen politischen Unsicherheiten rund um den Globus zum Trotz.
Foto: Tsibii Lesia - shutterstock.com

Vor allem die Konsumfreude der Verbraucher sorgte 2016 für das stärkste Wirtschaftswachstum seit fünf Jahren und füllte die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden. "Die starke Binnennachfrage hat Deutschlands Wirtschaft gegen die meisten äußeren Risiken abgeschirmt", analysierte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Doch ganz ohne Nebenwirkungen ist der Boom nicht.

Störfeuer drohen vor allem von der Politik: Am 20. Januar zieht der erklärte Freihandels-Gegner Donald Trump als 45. US-Präsident ins Weiße Haus ein, im Frühjahr sollen die Brexit-Verhandlungen beginnen und in den Euroländern Frankreich, Deutschland und den Niederlanden stehen Wahlen an. Hinzu kommen Probleme italienischer Banken, die auf einem Milliarden-Berg fauler Kredite sitzen.

Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau ist dennoch nicht bange: Europas größte Volkswirtschaft sei eine "Hochburg der Stabilität in einer zunehmend unsicheren Welt", die exportorientierte hiesige Wirtschaft auch für turbulente Zeiten grundsätzlich gut aufgestellt.

Nach Einschätzung der Ökonomen des größten deutschen Geldhauses wird die deutsche Wirtschaft im soeben begonnenen Jahr zwar einen Gang zurückschalten und um etwa 1,1 Prozent wachsen. Etwa zur Hälfte erkläre sich der Rückgang jedoch mit der geringeren Zahl an Arbeitstagen.

Deutlich optimistischer ist die Bundesbank. Sie traut Deutschland im laufenden Jahr 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum zu. "Hauptstütze ist die lebhafte Binnennachfrage, die von der günstigen Arbeitsmarktlage und von steigenden Einkommen der privaten Haushalte profitiert", erläuterte Bundesbankpräsident Jens Weidmann jüngst.

Die Bundesbürger sind dank der historisch guten Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin in Kauflaune. Doch der Konjunkturtreiber Konsum könnte in den kommenden Monaten etwas an Tempo verlieren. Das liegt insbesondere am Anstieg der Energiepreise.

Verbraucher müssen fürs Tanken und Heizen wieder tiefer in die Tasche greifen. Dadurch bleibt weniger Geld für Anschaffungen übrig. "Eine höhere Teuerung wird die Kaufkraft künftig stärker dämpfen als zuletzt", sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) voraus. Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent - und damit so stark wie seit Juli 2013 nicht mehr.

Der Boom am Bau dagegen dürfte weitergehen - dank historisch niedriger Zinsen. "Die deutsche Baulaune basiert maßgeblich auf günstigen Finanzierungskonditionen und weil auf dem Sparbuch kaum nennenswerte Zinszahlungen zu verbuchen sind", erklärt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Nach Einschätzung von Sal. Oppenheim wird der Run auf Betongold anhalten: "Auch 2017 sehen wir kein Ende des Booms, denn die Zinsen werden weiterhin niedrig bleiben."

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt allerdings vor Nebenwirkungen: "Man sollte sich bewusst sein, dass es unter der glänzenden Oberfläche des konsumgetriebenen Aufschwungs zu immer mehr Fehlentwicklungen kommt". So rolle die Bundesregierung die erfolgreichen Arbeitsmarktreformen des früheren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) zurück. Zudem drohten auf längere Sicht an den deutschen Immobilienmärkten Blasen, "deren Platzen große Schäden anrichten können".

Auch der Außenhandelsverband BGA gießt Wasser in den Wein: Wichtige Faktoren des Erfolgsmodells - wie Außenhandel, Produktion oder Auftragseingänge - schwankten immer stärker. Zudem schwächelten die Investitionen. "Damit steigt auch die Anfälligkeit für Krisen", fürchtet BGA-Chef Anton Börner.

Fragezeichen gibt es vor allem beim Export. Zwar stieg die Nachfrage nach Produkten "Made in Germany" zuletzt deutlich. Handelsbarrieren unter Trump könnten die Exportnation Deutschland aber empfindlich treffen. Der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezeichnete die wirtschaftspolitischen Ankündigungen Trumps als beunruhigend. Es sei falsch zu glauben, man könnte im 21. Jahrhundert durch das Hochziehen nationaler Grenzen auf Dauer gewinnen. Der schwächere Euro könnte nach Ansicht von Experten die negativen Effekt etwas abfedern, weil damit Waren aus Deutschland im Dollar-Raum billiger und gefragter werden.

Für Verunsicherung sorgen indes auch die anstehenden Verhandlungen mit Großbritannien über einen Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union (Brexit). Das Fazit von BDI-Präsident Kempf: "Angesichts der weltpolitischen Unsicherheit, die unsere Wirtschaftsnation besonders gefährdet, ist künftiges Wachstum alles andere als selbstverständlich." (dpa/rs)

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