Auf Pekings Einkaufszettel

Deutschlands Industrie-4.0-Unternehmen heiß begehrt

07.06.2016
Seit einigen Jahren ist China auf Shopping-Tour in Europa. Ganz oben auf der Einkaufsliste stehen deutsche Mittelständler - wie der Roboterbauer Kuka. Das passt nicht jedem in Berlin und Brüssel.
Deutschland-Karte: Chinesen picken sich zukunftsträchtige Unternehmen heraus und kaufen sie auf.
Deutschland-Karte: Chinesen picken sich zukunftsträchtige Unternehmen heraus und kaufen sie auf.
Foto: fotomek - Fotolia.com

Wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem Kabinett an diesem Sonntag in Peking die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen eröffnet, muss sie sich auf die ein oder andere unangenehme Frage der Gastgeber einstellen. Etwa die, ob chinesische Investoren in Deutschland nicht mehr willkommen seien und ob man sich sorgen müsse wegen eines "China-Bashings"?

Den Eindruck könnten die Machthaber in Peking zuletzt durchaus gewonnen haben. Denn vor allem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), aber auch Teile der EU-Kommission, beobachten sehr genau die Einkaufstour - aus Angst vor einem High-Tech-Ausverkauf an die Konkurrenz in Fernost. Sie ermuntern wie im Fall des Augsburger Roboterbauers KukaKuka sogar die deutsche und europäische IndustrieIndustrie zur Gegenofferte. Und stehen damit bisher ziemlich allein da. Top-500-Firmenprofil für Kuka Top-Firmen der Branche Industrie

Mit seiner Einkaufs-Strategie im Ausland will China seine Exportabhängigkeit verringern und sich Zugang zu wichtigen Märkten und Schlüsseltechnologien verschaffen. Deutschland mit seinen vielen mittelständischen High-Tech-Firmen, die oft Branchenführer sind, seinem offenen Markt und stabilen Rechtsrahmen hat es den Anlagestrategen aus der Volksrepublik angetan. Zumal in Deutschland ausländische Direktinvestitionen wegen Sicherheitsbedenken nicht ganz so scharf unter die Lupe genommen werden wie in den USA.

Eigentlich waren chinesische Investitionen in Deutschland immer willkommen - auch, weil Arbeitsplätze gehalten und teils gerettet wurden. Aber die Diskussion droht zu kippen. Den Grund sehen Diplomaten und Geschäftsleute in Peking in der "Asymmetrie" zwischen der Offenheit der deutschen Wirtschaft für chinesische Investoren und den eher noch wachsenden Hürden für deutsche Firmen in China.

"Wir haben starke Hinweise, dass sich eine weitere Öffnung nicht nur verlangsamt hat, sondern gerade an einem Punkt ist, sich in die falsche Richtung zu wenden", schreibt der deutsche Botschafter in Peking, Michael Clauß, in der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post". Deutsche Unternehmen litten zunehmend unter Eingriffen der Behörden, die ihnen mit Sicherheitskontrollen, Lizenzen oder anderen Verwaltungsmaßnahmen das Leben schwer machten.

Während der "informelle Protektionismus" in China wächst, verfolgt die Regierung in Peking eine Strategie, im Ausland die Technologie zu besorgen, die China fehlt. Besonders interessant sind Roboter-, Informations- und Biotechnologie. Staatliche Banken werden ermuntert, billige Kredite zur Verfügung zu stellen. So können Investoren aus China jeden Preis bieten, um Mitbewerber aus dem Rennen zu werfen.

"Es gibt keine völlig gleichen Wettbewerbsbedingungen", sagt ein westlicher Beobachter. Selbst hoch verschuldete Unternehmen könnten mit Hilfe staatlicher Banken noch Preise zahlen, die für Konkurrenten am Markt nicht in Frage kommen. Ein Beispiel ist der Chemie-Riese ChemChina, der tief in der Kreide steht. In der bisher teuersten chinesischen Übernahme im Ausland will ChemChina für 43 Milliarden US-Dollar den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta schlucken, um sich wichtige Biotechnologie zu sichern.

Auch im Fall Kuka - eines Vorzeigeunternehmens der deutschen Wirtschaft bei der Digitalisierung und Vernetzung ("Industrie 4.0Industrie 4.0") - haben die Chinesen viel Geld auf den Tisch gelegt und den Aktionären ein sehr verlockendes Angebot unterbreitet. Der börsennotierte chinesische Klimaanlagen- und Kühlschrankhersteller Midea will bis zu 4,5 Milliarden Euro zahlen, um seinen Anteil an Kuka aufzustocken. Der satte Kursaufschlag lässt die von der Politik in Berlin und Peking erhofften Gegenangebote unrealistisch erscheinen. Alles zu Industrie 4.0 auf CIO.de

Andere deutsche Konzerne haben bisher abgewunken. Gabriel war zuletzt weniger forsch, ein "alternatives Angebot zu formulieren". Das schwebt auch EU-Digitalkommissar Günther Oettinger vor, der den "strategisch bedeutsamen" Zukunftsträger Kuka gern weiter in deutscher oder europäischer Hand sähe. Oettinger bezweifelt, dass ein solcher Deal umgekehrt auch mit einem chinesischen Unternehmen dieser Preisklasse möglich wäre. Hintergrund sind auch Bedenken, China schon als eine Marktwirtschaft einzustufen.

Diese Zweifel kann Gabriel den Chinesen nicht näher aus erster Hand erläutern. Denn er gehört nicht zu Merkels Kabinettsriege für die Regierungskonsultationen Ende der Woche in Peking. Der Vize-Kanzler betont stets, ihm gehe es keineswegs um einen "Pakt" gegen Midea. Schon gar nicht darum, die Staatsbank KfW als Kuka-Aktionär ins Boot zu holen. Eher soll die heimische Industrie ermuntert werden.

Gabriels Eingriffsmöglichkeiten sind begrenzt. Über das Außenwirtschaftsgesetz kann der Verkauf von Unternehmen oder Firmenteilen an Interessenten außerhalb der EU beschränkt werden, "wenn infolge des Erwerbs die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland .. gefährdet ist". Es ist nicht überliefert, dass bisher ein Verkauf untersagt wurde. (dpa/rs)

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