Professor Marco Gercke

"Die Behörden sind nicht in der Lage, mit der Internetkriminalität umzugehen"



Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Industrie und Nachwuchs

Ihre Einschätzung zum Thema "Security by Design" in der Industrie?

Marco Gercke: Bisher wurden die Industrienanlagen nicht mit dem Internet verbunden, daher spielte das Thema IT-Sicherheit eine geringere Rolle. Die Anlagen mussten nur effizient arbeiten. Vergleichen wir das doch einmal mit unseren Software-Betriebssystemen: Auch die hatten früher kaum Sicherheitstechnik eingebaut, heute ist sie selbstverständlich. Mittlerweile haben sich aber auch die Anforderungen der Industrie gewandelt.

Dass "SecuritySecurity by Design" ein Verkaufsargument für deutsche Produkte sein kann, stimmt. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass das deutsche Sicherheitsdenken dem weltweiten Standard entspricht. In einigen Entwicklungsländern, in denen Sie nur stundenweise Strom bekommen, weil die Generatoren dauernd ausfallen, existieren eventuell andere Prioritäten. Deshalb plädiere ich auch hier dafür, sich für international gültige Mindest-Sicherheitsstandards zu einigen - dann wüsste auch die deutsche Industrie genau, was sie produzieren muss, damit es woanders einen Absatz findet. Alles zu Security auf CIO.de

Sie kommen als Professor viel mit dem Security-Nachwuchs zusammen. Laufen wir Gefahr, dass uns die Expertise ausgeht?

Marco Gercke: Ja, es gibt einen FachkräftemangelFachkräftemangel, aber wir könnten das durch Teams sehr gut abdecken - für einzelne Teilaspekte gibt es genügend Experten da draußen. IT-Sicherheit ist zu einem extrem komplexen Thema geworden. Noch vor zehn Jahren konnte sich ein Systemadministrator große Teile selbst erschließen. Das geht heute nicht mehr. Das beginnt mit den technischen Prozessen, die man verstehen muss - ich muss das ganze System und seine Strukturen kennen, um es absichern zu können. Die Anforderungen an den Security-Nachwuchs steigen - noch haben wir aber keine Ausbildungsstandards. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Das Gefühl, dass es hier einen Fachkräftemangel gibt, entsteht vielleicht dadurch, dass es Vorstellungen und Anforderungsprofile gibt, die eine einzige Person gar nicht mehr erfüllen kann. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in Technologie und Manpower investieren müssen - den Systemadministrator, der zugleich auch IT-Sicherheitsbeauftragter und Systemanalytiker mit umfangreichen Prozesskenntnissen ist, wird es nicht mehr geben. Diese Aufgaben müssen auf mehrere Schultern und verschiedene Hierarchieebenen verteilt werden.

Zur Person

Foto: privat

Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Gercke ist Direktor des Instituts für Medienstrafrecht und Honorarprofessor an der Universität Köln. Er berät unterschiedliche internationale Organisationen im Zusammenhang mit rechtlichen Aspekten des Informationsstrafrechts. (CW)

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