Top-Managerinnen

Die Chefinnen der Zukunft

16.12.2013
Von Kristin Schmidt

Die Dirigentin

Als Sandrine Piret-Gerard das Wartezimmer eines Arztes in der belgischen Provinz Wallonisch-Brabant betritt, ist es acht Uhr morgens. Es ist ihr erster Tag als Außendienstmitarbeiterin beim Pharmakonzern Novartis - und sie kommt zu spät: Vor ihr hatten nicht nur 20 Patienten, sondern auch fünf Vertreter der Konkurrenz im Aufenthaltsraum Platz genommen. Als sie an der Reihe ist, lässt der Arzt sie abblitzen. Er habe keine Zeit für noch einen Vertreter. Die Bilanz ihres Tages: Nur ein einziger Mediziner gewährt ihr einen Termin - für gerade mal sechs Minuten.

Neun Jahre später - im Juni 2013 - erzählt die mittlerweile 38-Jährige wieder von ihrem missglückten ersten Tag - den gut 100 Außendienstmitarbeitern ihres Teams, das sie heute als Vorstandsmitglied von Hexal leitet. "Ich wollte ihnen zeigen, dass ich ihre Probleme kenne", sagt Piret-Gerard. "Auch ich bin nicht perfekt." Versteht sie etwas nicht, fragt sie einfach nach. Grundsätzlich stellt sie nur Mitarbeiter ein, die besser sind als sie selbst.

"Meine Mitarbeiter sollen wissen, dass sie die Experten sind und ich nur die Dirigentin des Orchesters." Das schaffe Vertrauen, stärke das Verantwortungsbewusstsein und belebe den Teamgeist in der Belegschaft.

"Sie ist eine großartige Managerin", sagt Audrey Franchineau, die in Frankreich zwei Jahre für Piret-Gerard gearbeitet hat. Bis heute steht sie mit ihrer ehemaligen Chefin in Kontakt. Sie ruft zwei- bis dreimal im Jahr an, um sich Rat einzuholen. "Von ihr habe ich gelernt, meinem Team Rückmeldungen zu geben und mit deren Anmerkungen umzugehen."

Selbstzweifel ausräumen

Piret-Gerard hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen zu unterstützen. "Sie zweifeln zu häufig an sich selbst", sagt die Managerin. Sie spricht mit ihnen über deren mittelfristige Karriereplanung, hilft ihnen, ihre Entwicklung voranzutreiben. "Niemand kann darauf warten, dass der perfekte Job vom Himmel fällt", sagt Piret-Gerard.

Nach diesem Grundsatz hat auch sie ihre Karriere aufgebaut. Nach drei Jahren in der Beraterbranche ist ihr klar: Ein Richtungswechsel muss her. Der MBAMBA der Elite-Schule Insead soll ihr dabei helfen. 2003 steigt sie beim Pharmakonzern Novartis ein, für dessen Tochter Hexal sie heute im Vorstand den Vertrieb von Medikamenten bei Fachärzten und Kliniken verantwortet. Alles zu MBA auf CIO.de

Den Weg dahin hat sie stringent durchgeplant: Wendet sich direkt zu Beginn ihrer Zeit im Novartis-Konzern an einen Mentor, um mit seiner Hilfe ihre möglichen Karriereschritte zu definieren. Sechs Monate lang treffen sie sich regelmäßig, um die berufliche Zukunft der jungen Frau zu planen. Diese Zielstrebigkeit überzeugt den Manager, ein Jahr später gibt er ihr einen Job in seinem Team. Piret-Gerard wird zuständig für die strategische Planung in Europa. "Das war der Durchbruch", sagt die Wirtschaftsingenieurin. "Danach ging alles viel leichter."

Und ihr Weg scheint noch nicht zu Ende. "Ich könnte sie mir gut als Bereichsvorstand beim Mutterkonzern Novartis vorstellen", sagt Personalberater Thorborg.

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