Lebensart

Die Gartenlust kehrt zurück

16.07.2013
Von Christopher Schwarz

Das kleine Gartentheater

Johannes Roth, der Altmeister unter den Gartenschriftstellern, hätte ohnehin von einer Buchenhecke abgeraten, deren abgestorbenes Laub im Winter trocken an den Zweigen raschelt. "Hecken zum Verstecken?" Das funktioniere am besten mit Pflanzen, die immergrün sind, nicht nur mit der Eibe, auch mit dem "schnellen Liguster", der "schon in drei Jahren mannshoch wird", oder dem Lebensbaum Thuja occidentalis, der "etwas langsamer, aber zuverlässiger nach fünf, sechs Sommern" eine "dichte, dunkle, düstere Zweimetermauer bildet".

Hecken, so Roth, sollen nicht nur vor Blicken, Wind und Lärm schützen, sondern "Räume schaffen", "grüne Paravents bilden für farbige Staudenfröhlichkeit", "Kulisse sein fürs kleine Gartentheater", das ruhig mehr als eine Szene haben dürfe, zum Beispiel ein vorderes und ein hinteres "Gartenzimmer", das verdeckt ist durch einen Strauch oder eine Pergola und sich erst im Gehen erschließt: "Ein paar Schritte, und plötzlich ist da noch eine lauschige Sitzecke." Den Rasen, der alle paar Tage gemäht werden muss, könne man getrost weglassen und stattdessen mit bodendeckenden Pflanzen arbeiten, zum Beispiel mit Dickmännchen oder wildem Thymian, der sich zu "wunderbaren Polstern auswachsen kann", und kleinen Holzwegen oder Trittplatten dazwischen.

Der Garten braucht Form und Struktur

Ja, auch der kleine Garten brauche Abwechslung, Vielfalt, aber bitte kein Durcheinander, das Unruhe statt Spannung erzeugt. "Je kleiner der Garten", sagt Johannes Roth, "desto akkurater muss er sein." Vor allem: Er braucht Form und Struktur, also Konsequenz in der Auswahl der Pflanzen - weshalb Roth dem Gärtner im kleinen Garten dazu rät, nicht alles gleichzeitig auszuprobieren, sondern sich auf Pflanzenfamilien oder bestimmte Blumen zu konzentrieren, die, wie etwa die Frühjahrsanemonen, erst im Pulk ihre Wirkung entfalten. Ansonsten gelte die Devise der englischen Schriftstellerin und Gartengestalterin Vita Sackville-West: Auch im kleinen Garten großzügig sein, also nicht fünf, sondern fünfzig Maiglöckchen unter den Rotdorn streuen.

Der kleine Garten muss nicht zur Bonsai-Veranstaltung verkümmern. Andrew Wilson zeigt in seinem "Handbuch Kleine Gärten" (Callwey Verlag), wie man sie größer, weitläufiger erscheinen lässt. Durch Achsen, die in einem Laubengang oder zwischen zwei Heckenbändern auf einen Blickpunkt zulaufen, zum Beispiel eine Bank oder einen Brunnen, durch Wege, die gegen Ende schmaler werden und so das Gefühl von Weite erzeugen, durch Ausblicke in Nachbars Garten, den sogenannten "geborgten Blick", der die Umgebung in den Garten hineinholt, oder durch den gezielten Einsatz der Perspektive: Niedrige Pflanzen mit kleinen Blättern gehören nach hinten, höhere Pflanzen mit großen Blättern bespielen die Vorderbühne.

Die Landschaftsarchitektin Andrea Christmann dokumentiert in ihrem Buch "Kleine Gärten gestalten", wie sich der Garten "optisch erweitern lässt" durch kluge räumliche Untergliederung, durch einen "geschickt platzierten Blütenstrauch" oder ein Rankgerüst, durch Hecken unterschiedlicher Höhe oder Treppen und Stufen, die den Wechsel der Ebenen betonen; schon eine berankte Natursteinmauer löse die harten Konturen auf - "und die Grenze des Grundstücks wird überspielt".

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