Tschüs BYOD, hallo CYOD

"Die IT muss sich verändern!"

Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Wir verraten, was BYOD mit dem Kampf um Talente zu tun hat und wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen wird.

Schon lang ist der Arbeitsplatz nicht mehr nur im Büro, sondern auch in jeder Jackentasche zu finden. Doch hat sich die IT an die Mobility angepasst und ist sie den Herausforderungen des Wandels gewachsen? Davon sind noch nicht alle überzeugt, wie etwa Oliver Bendig, Vice President im Produktmanagement der Matrix42 AG, einem Software-Dienstleister. "Die IT muss sich verändern, weil sich die Arbeitsweisen verändern", fordert er und plädiert für eine IT, die am Nutzer orientiert ist und nicht am Gerät, wie es bisher der Fall war.

Nicht eines, sondern drei

Oliver Bendig, Vice President im Produktmanagement der Matrix42 AG, fordert, dass sich die IT verändern muss.
Oliver Bendig, Vice President im Produktmanagement der Matrix42 AG, fordert, dass sich die IT verändern muss.
Foto: Matrix42

Der Trend in der Gerätevielfalt habe sich in eine andere Richtung entwickelt als viele geglaubt hatten, meint Bendig. In den letzten Jahren wurde oft die Zeit des Post-PC angekündigt. Bendig glaubt, dass die meisten diesen Begriff falsch interpretieren. "Viele denken, dass sich in der Post-PC-Ära die Nutzung auf ein einziges Gerät, etwa ein Tablet, konzentriert", erzählt er. "Aber das Gegenteil ist der Fall: Wir erleben eine Heterogenität der Geräte." Nutzer arbeiten nicht mehr nur an einem Computer, sondern dazu mit dem Tablet und dem Smartphone - vielleicht sogar, wie Bendig glaubt, in Zukunft sogar auf Kühlschränken und im Auto. Für die IT beinhaltet das erhebliche Kosten, schließlich muss sie für sehr viele Betriebsumgebungen Apps und Dienste bereithalten.

Nicht der einzige Trend, der CIOs Sorgen bereitet: Neben der Mobility nimmt auch die Vermischung von Privatem und Geschäftlichem auf den Endgeräten zu. "Die private und geschäftliche Nutzung von Geräten ist schon jetzt Realität", sagt Bendig. Es gibt kein Zurück mehr in die Ära vor BYODBYOD, auch wenn sich offenbar noch einige dagegen sperren. Alles zu BYOD auf CIO.de

War of Talents

Einige Firmen verbieten aus Sicherheitsgründen kurzerhand die private Nutzung von Geschäfts-Smartphones und umgekehrt die geschäftliche Nutzung von Privattelefonen oder TabletsTablets. Für die Zukunft eines Unternehmens könne das schlecht sein, meint Bendig. "Es gibt den 'War of Talents', daran besteht kein Zweifel", meint Bendig. Ein Unternehmen, das die private Nutzung von Computern und Telefonen nicht erlaube, hat besonders bei jungen Arbeitnehmern einen Nachteil. Gleiches gilt, wenn man den Arbeitnehmern BYOD verbietet - diese also für die Arbeit ihre eigenen Geräte nicht benutzen dürfen. Dafür gibt es inzwischen Zahlen, die das untermauern. Alles zu Tablets auf CIO.de

Wie die Analysten des US-Marktforschers Forrester in der Studie "Five Seismic Forces Reshuffle the Workforce Vendor Ecosystem" (Mai 2013) herausgefunden haben, gibt es einen sehr guten Grund, warum man Arbeitnehmern erlauben sollte, mit den eigenen Geräten zu arbeiten. Je mehr die Arbeitnehmer auf ihre Karriere konzentriert waren, desto mehr waren sie bereit, Geld für hochpreisige Tablets und SmartphonesSmartphones auszugeben, weil sie von ihrer Firma aus nicht die Geräte zur Verfügung gestellt bekamen, mit denen sie ihr Potenzial voll ausschöpfen konnten. Alles zu Smartphones auf CIO.de

Zwang zu bestimmten Geräten hat einerseits zur Folge, dass Unternehmen die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter bis zu einem gewissen Grad brachliegen lassen und dadurch bares Geld verlieren. "Die fähigsten und motiviertesten Mitarbeiter sind diejenigen, die am häufigsten von der IT allein gelassen werden", sagt Forrester Analyst Johnson. Das Verbieten von BYOD oder die Einschränkung der Gerätenutzung hat eine weitere Folge, die Entscheidern Sorgen bereiten dürfte: "Die Talents wollen ihre spezifischen Geräte und Anwendungen", erklärt Bendig. "Für sie ist die verwendete Arbeitsplatz-IT ein Kriterium, sich für oder gegen ein Unternehmen zu entscheiden." So ist BYOD in Zeiten knapper IT-Spezialisten ein wichtiges Instrument im Kampf um die Talente.

Eine Frage des Rechts

Doch vielen Entscheidern bereitet BYOD Kopfschmerzen. Sie fürchten Sicherheitslücken, die Industriespionage ermöglichen - dabei seien die gar nicht das Problem, meint Bendig. "In Deutschland sind eher die rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten das Problem in BYOD", erklärt er.

Nicht die Sicherheit, sondern die Rechtsfragen sind das Problem, glaubt Bendig.
Nicht die Sicherheit, sondern die Rechtsfragen sind das Problem, glaubt Bendig.
Foto: maxkabakov Fotolia.com

Das Berechtigungsproblem lasse sich inzwischen lösen. So könne man auf privaten Geräten zum Beispiel Lösungen nutzen, die verhindern, dass sich private und Firmendaten vermischen, oder letztere sich etwa in eine Dropbox kopieren lassen. Im Fall des Verlusts eines Gerätes oder einer Kündigung können so zum Beispiel mittels eines "Enterprise Wipes" nur die Firmendaten gelöscht werden, die privaten Daten bleiben unangetastet. "Einige Firmen verwenden darüber hinaus standortbezogene Dienste um die Sicherheit zu erhöhen: Sobald ein Smartphone einen Hochsicherheits-Bereich erreicht, in dem etwa entwickelt wird, schaltet sich automatisch die Kamera aus", gibt Bendig ein Beispiel. Die Sicherheitslösungen sind heute schon vorhanden.

Flexibel oder sicher

Leider wollen viele Firmen alles: Flexibilität und Sicherheit. "Aber beides im Maximum geht nicht", sagt Bendig. "Je mehr Sicherheit man für ein Gerät will, desto weniger Flexibilität kann man dem Mitarbeiter bezüglich privater Nutzung gestatten." Das heißt, dass sich der Mitarbeiter eben nicht alle Apps herunterladen kann oder mit jedem Gerät arbeiten.

Das wahre Problem von BYOD

Das wirkliche Problem von BYOD liege woanders, meint Bendig. "Was ist denn, wenn auf dem Gerät des Mitarbeiters zum Beispiel das WLANWLAN nicht mehr funktioniert. Ist es sein eigenes Gerät, hat der Service Desk oder auch das LizenzmanagementLizenzmanagement ein Problem: Wer übernimmt Support für das eigene Gerät? Mitarbeiter oder Unternehmen? Auf welche Kostenstelle wird das Reparieren eines fremden Tablets verrechnet?", fragt Bendig. Hinzu kämen Haftungsfragen, Fragen des geldwerten Vorteils und die Frage mit dem Umgang von privaten Daten. Die rechtlichen Hürden in Deutschland für eine vernünftige BYOD-Politik in Unternehmen seien zu hoch, meint Bendig. Alles zu Lizenzmanagement auf CIO.de Alles zu WLAN auf CIO.de

Lieber CYOD?

Mein Gerät, dein Gerät? Unser Gerät!
Mein Gerät, dein Gerät? Unser Gerät!
Foto: violetkaipa - Shutterstock.com

Einige Firmen setzten daher inzwischen auf CYOD, auf Choose Your Own Device, erklärt Bendig. Das Unternehmen entwickelt eigene Apps für zum Beispiel drei verschiedene Tablets und der Mitarbeiter kann sich aussuchen, mit welchem er arbeiten möchte. Das löst das Berechtigungsproblem und zum Teil auch das Sicherheitsproblem. Natürlich, auch dieses Modell ist nicht perfekt. Kosten für die Entwicklung gleich mehrerer App-Landschaften fallen an - und unter Umständen liegt das Unternehmen bei der Wahl der Geräte daneben. Nur bislang scheint sich kein besserer Weg abzuzeichnen.

Ein Problem kann derzeit aber weder BYOD, noch CYOD lösen. Die größere Mobility hat auch Schattenseiten, Arbeit wird zunehmend entgrenzt. Immer mehr Menschen fühlen sich ausgebrannt und überarbeitet und leiden daran, ständig auf Empfang zu sein. Wer sein Arbeitsgerät auch abends und am Wochenende stets dabei hat, läuft Gefahr, ständig auf Empfang zu sein. Geht damit auch CYOD in die völlig falsche Richtung?

Einige Firmen versuchen, selbst gegen den Trend zu steuern, um die Mitarbeiter nicht ausbrennen zu lassen. "Wir bekommen aktuell immer häufiger Anfragen von Unternehmen, die zum Beispiel ab 20 Uhr den Emailverkehr abschalten wollen", erzählt Bendig. Damit solle verhindert werden, dass die Arbeitnehmer noch nachts oder am Wochenende arbeiteten.

Chefs als Vorbilder

Kann das die Lösung sein für den Druck der "Always-On"- Gesellschaft? "Verbieten oder Wegnehmen ist die falsche Strategie", glaubt dagegen Bendig. Er glaubt, dass es darauf ankommt, dem Mitarbeiter die Wahl zu lassen, wann er arbeiet. Bendig setzt eher auf die Eigenverantwortung, vor allem bei den Führungskräften eines Unternehmens: Diese gäben häufig unbewusst den "Always-on" Druck an ihre Mitarbeiter weiter, indem E-Mails und Aufgaben am Wochenende oder in den Abendstunden verteilt würden, erklärt Bendig. "Das Vorleben der Führungskräfte, in der arbeitsfreie Zeit eingeplant und respektiert wird, ist häufig die bessere Option, als das technische Unterbinden der Nutzung von E-Mail nach den Kernarbeitszeiten", meint Bendig.

Wenn Unternehmen es schaffen, ihren Mitarbeitern so viele Freiräume und so viel Vertrauen entgegenzubringen, dass jene guten Gewissens das Smartphone am Abend nur für Privates nutzen, dann könnte CYOD tatsächlich eine gute Strategie sein. Nun liegt es an den Entscheidern, dass aus BYOD und CYOD kein Alptraum, sondern eine gute Alternative für Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen wird.

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