Wirtschaftskriminalität

Die Jäger der Wirtschaftsbosse

05.02.2013
Von Jürgen Berke, Harald Schumacher, Martin Seiwert und Melanie Bergermann

Bundesweites Vorbild

Für Linderung der Not sollen Wirtschaftsexperten sorgen, die den Staatsanwälten zuarbeiten. Doch dabei handelt es sich häufig um frühere Wirtschaftsprüfer oder Steuerfahnder. "Die können zwar Bilanzen lesen", sagt Ex-Staatsanwalt Karge, "aber echte Wirtschaftskriminalität können sie nicht aufdecken."

Besser ist die Lage in Stuttgart, wo fünf Einheiten mit je 20 Wirtschaftsspezialisten der Polizei aufgebaut und den fünf Abteilungen der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft zugeordnet wurden. Dieses Modell gilt bundesweit als Vorbild. Verwaltungsirrsinn pur: Im Rahmen einer Neuorganisation der Polizei durch das baden-württembergische Innenministerium droht die Auflösung dieser Polizeieinheiten - und die Staatsanwälte raufen sich die Haare.

Die Steuerfahndungen in Deutschland, sagt Rechtsanwalt Dieter Graefe von der Berliner Kanzlei Wollmann & Partner, seien "viel besser besetzt, weil ihre Betriebsprüfer sichtbar was in die Kasse bringen". Bei Staatsanwälten, so der 76-Jährige, der bis 1998 selbst zur Fahnder-Zunft gehörte, "ist der Ertrag nicht so zählbar und ihr Kampf um Personal ein Trauerspiel".

Hat ein Staatsanwalt trotz aller Hürden ermittelt und Anklage erhoben, kann er noch an einem weiteren Nadelöhr scheitern: an überforderten Richtern. "Wenn ich weiß, dass sich beim Gericht die Fälle auf den Fensterbänken stapeln", sagt ein Staatsanwalt in Nordrhein-Westfalen, "muss ich mir zweimal überlegen, ob Ermittlungen sinnvoll sind. Es hat ja keinen Sinn, dass die Tat verjährt, während die Akte ungeöffnet bei Gericht liegt."

Und auch wenn wenige Großverfahren ganze Staatsanwaltschaften lahmlegen, bleiben andere Fälle auf der Strecke.

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