Management-Strategien

Die Mitarbeiterführung der alten Griechen

13.07.2009
Von Olaf  Kraus

Glücklicherweise wird das gemeinsame Leitbild der Gruppe nie infrage gestellt. Xenophon formuliert es in seinem Appell kurz nach seiner Wahl zum Heerführer: "... keinem Menschen huldigt ihr, außer den Göttern!" - und bringt damit das extreme Unabhängigkeitsgefühl auf den Punkt, durch welches sich die Griechen fundamental von allen anderen Völkern ihrer Zeit unterscheiden.

360-Grad-Feedback

Getragen wird dieses Leitbild von einer allseits gelebten Kultur und rigide eingehaltenen gemeinsamen Werten. Hohe Bindungskraft hat vor allem die gemeinsame Sprache. Zwar sind die Griechen zur damaligen Zeit häufig zerstritten, Sparta und Athen befinden sich sogar im Krieg miteinander, aber bei Gefahr von außen, von den "Barbaren" (all jene, die nicht Griechisch sprechen), halten sie zusammen. Außerdem werden die Griechen durch die gemeinsame Religion zusammengeschweißt. Alle religiösen Rituale werden penibel eingehalten; die Seher sind beim gesamten Zug dabei, und vor jeder Entscheidung werden Opfer gebracht und die Götter befragt.

Einen herausragenden Rang nimmt auch der Wert "Wettbewerb" ein: Kaum hatten die Griechen völlig erschöpft das Schwarze Meer erreicht und sich einige Tage ausgeruht, da hatten sie nichts Besseres im Sinn, als eine kleine "Olympiade" auszurichten, ein Sportfest mit allen Disziplinen.

Die gemeinsamen Werte wurden allerdings nicht ganz freiwillig befolgt. Es herrschte großer sozialer Druck, denn die Einhaltung der Werte wurde von der Vollversammlung streng überwacht. Sie übernahm quasi die Controlling-Funktion. Hier wurde das Führungsverhalten offen diskutiert und schonungslos kritisiert. Man kann sagen, dass die griechischen Führer sich einem ständigen "Assessment", einem brutalen 360-Grad-Feedback, stellen mussten. Bei Fehlverhalten wurden sofort Sanktionen verhängt. Als der Grieche Apollonides in der kritischen Phase nach der Ermordung der griechischen Führer vorschlägt, noch einmal mit den Persern zu verhandeln, weil man sonst keine Chance habe, lebend die Heimat zu erreichen, wird er nicht nur überstimmt, sondern sofort wegen Feigheit und Defätismus degradiert und aus der Gemeinschaft der Hopliten (der Schwerbewaffneten) ausgestoßen.

Wie differenziert und auch aus heutiger Sicht hochprofessionell das Führungsverhalten evaluiert wurde, zeigt beispielhaft Xenophons Charakterisierung der früheren Heerführer. So beschreibt er seinen Vorgänger Klearchos als mutige, durchsetzungsstarke und verantwortungsvolle Führungskraft, aber auch als hart und grimmig. Er diagnostiziert bei Klearchos einen gefährlichen Mangel an Empathie. "War der Kampf vorüber, verließen ihn viele, denn er hatte nichts Gewinnendes an sich." Seinen Freund Proxenos beschreibt er als ehrgeizig, aufrichtig und gutwillig, er führe aber ausschließlich durch Lob und Vorbild, scheue bei Unwilligen vor Konflikten zurück und müsse deshalb letztlich als schwache Führungskraft gelten.

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