Management

Die Wahrnehmung der Wahrnehmung

19.07.2013
Von Andreas Zeuch

Testen Sie es selbst mit folgendem Experiment: Bitten Sie einen Freund, eine Freundin oder sonst jemanden, Ihnen einen längeren Artikel aus einer Zeitung oder einer Zeitschrift vorzulesen (besonders geeignet: Das Dossier der Zeit). Sie bemühen sich aufrichtig zuzuhören, subtrahieren aber gleichzeitig von 10.000 ausgehend immer wieder die Zahl 21 (10000 - 9979 - 9958 und so weiter). Natürlich verraten Sie das Ihrem Gegenüber nicht, sondern versuchen vielmehr, möglichst aufmerksam zu wirken. Danach erzählen Sie ihrem Versuchspartner, was sie gehört und verstanden haben. Im dritten Schritt lesen Sie dann selbst den Artikel. Sollte Ihnen Subtrahieren in die Wiege gelegt worden sein, dann lenken Sie sich anders ab. Erzählen Sie sich beispielsweise einen Witz nach dem anderen, oder rezitieren Sie ein Gedicht.

Somatische Marker

Was ich Ihnen mit diesem kleinen Experiment verdeutlichen will, passiert uns allen täglich. Während wir jemandem zuhören, beginnen wir bereits mit der Entwicklung unserer Gegenargumente. Je nachdem, wie erbittert die argumentative Auseinandersetzung ist oder wie leidenschaftlich wir unsere Sicht vertreten, werden wir besonders gründlich voraus denken, so wie ein Schachanfänger alle möglichen Konstellation Zug für Zug durchrechnet. Während wir das tun, hören wir gar nicht mehr, was der andere sagt und was er damit meinen könnte. Wir beschäftigen uns mit dem, was wir glauben, was der andere sagt und meint.

Achten Sie in den nächsten Wochen in der Arbeit darauf. Versuchen Sie, wirklich zuzuhören und dabei auf all die Nuancen zu achten, die Teil der Kommunikation sind. Die Mimik, der Blickkontakt, die Blickqualität, die Gestik, die Körpersprache, die Wortwahl, der Satzbau, das Sprechtempo, der Tonfall... Sie merken, das ist eine ganze Menge an Daten, die da auf uns einströmen, selbst im einfachen Fall einer Kommunikation zwischen zwei Personen. Wenn sie in einem wichtigen Gespräch mit Ihren Vorstandskollegen sind, dann brauchen Sie sowieso schon zwei Wahrnehmungsfoki. Erstens Ihr Gesprächspartner mit allen Daten, die er sendet. Zweitens, ihre Innenwelt. Ihre Aufgabe besteht darin, möglichst gut zuzuhören und gleichzeitig darauf zu achten, welche intuitiven Impulse oder Signale sie beim Zuhören erhalten:

  • Körperempfindungen

  • Gefühle oder Stimmungen

  • Innere Bilder oder Stimmen

Das ist genug Multitasking. Dabei können all diese Signale ein Hinweis auf eine wertvolle Intuition sein. Körpergefühle sind häufig exakte Start- oder Stoppsignale. Einer der Berater, den ich vor über 10 Jahren für meine Doktorarbeit zum Training professioneller Intuition interviewte, konnte deutlich solche Signale unterscheiden. Wenn er im Erstgespräch mit potentiellen Kunden eine angenehme Aufregung verspürte (erhöhter Herzschlag, erhöhter Blutdruck), war das meist ein treffendes Startsignal. Er wusste, dass er den Auftrag erfolgreich abwickeln kann.

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