Interview mit Arbeitsrechtler

E-Mails dürfen nicht einfach gelöscht werden

21.07.2014
Von Claudia Tödtmann

Einsehen trotz Hausverbot?

Was ist, wenn ein Arbeitnehmer nicht privat, sondern dienstlich Mails braucht und die hinter seinem Rücken gelöscht wurden. Etwa weil er beweisen will, nichts mit einem Kartellverfahren zu tun zu haben. Oder dass er keine üble Nachrede, Beleidigung oder sonsteine Verfehlung zu verantworten hat oder sich an einer Mobbing-Aktion nicht beteiligt hat? Dem nützt keine theoretisch mögliche Schadenersatzforderung gegen seine Firma etwas.

Boris Dzida: Das stimmt, aber zum Glück ist es in diesen Fällen meistens umgekehrt: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer beleidigt oder gemobbt hat. Wenn ein Mobbing-Opfer beispielsweise behauptet, ständig von Kollegen per Mail angefeindet worden zu sein und der Arbeitgeber den Tätern kündigen will, muss der Arbeitgeber das Mobbing beweisen. Aber Sie haben recht: Es sind auch Fälle denkbar, in denen sich der Arbeitnehmer scheinbar falsch verhalten hat, sich aber mit Mail-Korrespondenz entlasten könnte - was nicht mehr geht, wenn sie gelöscht ist. Muss man als Angestellter nicht wenigstens eine Warnung von der Firma vor dem Löschvorgang erhalten? Um rechtzeitig reagieren zu können? Viele Firmen, die Mails regelmäßig und schnell löschen, haben klare Regeln, dass wichtige Mails ordnungsgemäß in bestimmte Ordner abgelegt werden müssen - und dann natürlich nicht gelöscht werden. In solchen Fällen ist keine Warnung erforderlich, denn dann kann und muss jeder alles ablegen, was wichtig ist.

Gibt es solche Regeln nicht, sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter warnen, wenn denen die Privatnutzung des dienstlichen Mail-Systems erlaubt ist. Denn sonst könnten die - wie oben gesagt - Schadensersatzansprüchen gegen sie stellen.

Was ist mit Managern, die im Zuge eines Managerhaftungsverfahrens - wie schon Heinrich von Pierer bei Siemens - freigestellt werden, die womöglich Hausverbot von ihrer eigenen Ex-Company bekommen und nicht mehr an ihre Mails herankommen. Ohne die können sie sich aber umso schlechter oder gar nicht verteidigen im Schadenersatzprozess vor dem Zivilgericht oder gar in einem parallel laufenden Strafprozess. Haben diese Manager keinen Anspruch darauf, dass sie ihre Mails - zumindest zu diesem Zweck - mitnehmen können?

Boris Dzida: In solchen Fällen haben ehemalige Manager einen Anspruch darauf, Mails oder sonstige Unterlagen beim Arbeitgeber einzusehen, die sie zu ihrer Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche brauchen.

... und das bedeutet, sie abfotografieren dürfen? Trotz Hausverbot?

Boris Dzida: 'Einsehen' heißt zunächst einmal nur, sich das Dokument ansehen zu dürfen. Wenn es aber um komplexe Sachen geht, kann der Manager sich Kopien fertigen. Und wenn der Arbeitgeber ihm Hausverbot erteilt hat, dann muss dieser trotzdem dafür sorgen, dass der Manager die Unterlagen einsehen kann, notfalls außerhalb des Betriebsgeländes, etwa im Büro des Firmenanwalts.

(Quelle: Wirtschaftswoche)

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