Captive Nearshoring bei der Commerzbank

Entspannt in den Osten

Dr. Klaus Manhart hat an der LMU München Logik/Wissenschaftstheorie studiert. Seit 1999 ist er freier Fachautor für IT und Wissenschaft und seit 2005 Lehrbeauftragter an der Uni München für Computersimulation. Schwerpunkte im Bereich IT-Journalismus sind Internet, Business-Computing, Linux und Mobilanwendungen.

In Eigenregie betrieben wurde das Nearshoring-Projekt, weil die Commerzbank das Know-how im Haus behalten wollte. Auch dass sich das Bankinstitut auf Standorte beschränkt, an denen es bereits eine lokale Präsenz hat, hat seine guten Gründe. „Wir müssen nicht bei Null anfangen und Kompetenz erst aufbauen“, erklärt Annuscheit. „In Prag verfügen wir über lokales Know-how, das wir nutzen können. Hier haben wir Mitarbeiter, die wissen, wie man in dem Land einen Arbeitsvertrag abschließt oder wie das Mietniveau beschaffen ist.“

Prozesshoheit bewahren

Wichtig ist der Commerzbank bei ihrer Nearshoring-Strategie, die Hoheit über den gesamten beleghaften Zahlungsverkehr zu bewahren. Nur jene Teile der hochgradig automatisierten Bankprozesse, die ohne Bruch verlagert werden können, kommen für Nearshoring in Frage. Zudem müssen sie hohe Personalkosten verursacht haben, damit sich Nearshoring lohnt.

„Nur dort, wo ein personalintensiver Teilschritt im Prozess ist, stellt Nearshoring ein adäquates Mittel dar, an die Quelle der Kosten heranzugehen“, erklärt Annuscheit. „In diesem Teilprozessschritt sind dann eben die Personalkosten der Kostentreiber und nicht die ITKosten.“ Damit das funktioniert, muss die IT workfloworientiert so umgebaut werden, dass es zu keinen Prozessbrüchen kommt. Ansonsten würde die Personalkosteneinsparung wieder aufgehoben werden.

Der beleghafte Zahlungsverkehr ist für Nearshoring prädestiniert: Der Prozess läuft weitgehend IT-gestützt ab. Menschliche Mitarbeiter werden nur eingeschaltet, wenn es um Teilprozesse geht, die nur ein Mensch ausführen kann – nämlich die finale Entscheidung, was derjenige, der das ausgefüllt hat, damit gemeint hat.

Zeitliche Schranke

Nearshoring in Prag ist für die Commerzbank nur der Anfang. Neben Tschechien sollen künftig auch polnische Niederlassungen stärker genutzt werden. Auch weitere Prozesse, die im Nearshoring-Verfahren outgesourced werden sollen, sind in Planung. „Im IT-Bereich haben wir erste Aufgaben wie bestimmte Softwareerstellungskomponenten nach Prag verlagert“, sagt der Commerzbank- CIO. „Nun sind wir gerade dabei, uns andere Prozesse wie die Kontoauszugsnacherstellung anzusehen.“

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