Gute Manager

Führen heißt Kommunikation auf Augenhöhe

Dr. med. Mirriam Prieß ist Ärztin und gehört zu den führenden Unternehmensberaterinnen Deutschlands im Bereich Gesundheits-Management. Nach ihrem Medizinstudium an der Universität Hamburg mit Promotion im Bereich Psychosomatik und Weiterbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie war sie acht Jahre in einer Hamburger Fachklinik tätig. Behandlungsschwerpunkte waren Ängste, Depressionen und Burnout. Seit 2005 berät sie Unternehmen, ist im Einzelcoaching von Führungskräften im Konflikt- und Stress-Management tätig und hält Schulungen und Vorträge über Gesundheits-Management und Prävention mit Schwerpunkt Burnout.

Woran scheitern die meisten Dialoge?

Mirriam Prieß: Viele Dialoge kommen gar nicht erst zustande, weil die meisten nicht offen für den anderen sind, sondern ihn von der eigenen Welt überzeugen wollen. Nicht aus Bösartigkeit, sondern oft aus einer eigenen Ohnmacht heraus.

Was ist Ihrer Ansicht nach einer der größten Fehler, den Unternehmen bei der Einstellung von Führungskräften machen?

Mirriam Prieß: Der beste Lebenslauf und die beeindruckendsten Referenzen sind nichts wert, wenn die Führungskraft nicht in der Lage ist, Mitarbeitern oder Vorgesetzten im Dialog auf Augenhöhe zu begegnen. Fakten wie Lebenslauf oder Fachkenntnisse sollten von Personalern immer nur als Basis betrachtet werden - Human-Resource-Abteilungen sollten aber viel mehr Wert auf das persönliche Gespräch legen.

Zu den klassischen Fehlern von Unternehmen gehört es in der Regel, den Bewerber zu idealisieren oder sich selbst zum Maßstab für die Bewertung zu machen und schlechte Bauchgefühle zu ignorieren. Genau auf diese kommt es aber an. Die ersten 30 Sekunden ab Betreten des Raums sollten genau analysiert werden.

Sie sagen "die ersten 30 Sekunden". Worauf soll und muss man achten?

Mirriam Prieß: Hier gibt es mehrere Faktoren, die von Bedeutung sind. Man sollte sich zum Beispiel fragen: Welche Gefühle löst der Bewerber aus? Woran mache ich diese fest? Wirkt er arrogant oder unterwürfig? Diese ersten Sekunden sind wirklich entscheidend für den langfristigen Erfolg einer Einstellung.

Der Fokus sollte vor allem auch auf die Beziehungsgestaltung gelegt werden, mit der entscheidenden Frage: Ist der Bewerber auf Augenhöhe im Dialog? Begegnungsfähigkeit wird in Sekundenschnelle, meist unbewusst, wahrgenommen. Wichtig ist es deshalb, dass die Interviewer ihre ersten Gefühle oder Bedenken notieren und im Anschluss das Gespräch ganz gezielt dazu nutzen, diese Punkte im Gespräch abzuklären.

Kommt es in Unternehmen zu Konflikten mit Managern und Mitarbeitern, hört man immer wieder, dass sich diese schon im Einstellungsgespräch abgezeichnet hatten. Und genau hier liegt das Problem: Bauchgefühle werden häufig unterdrückt, missachtet und bleiben nahezu immer ohne Analyse.

Wie sollten sich Personalverantwortliche in einem Bewerbungsgespräch verhalten?

Mirriam Prieß: Wer erfolgreich einstellen will, kann dies nur, wenn er auch in der Lage ist, dass zu leben, was er von dem Bewerber erwartet. Dies beinhaltet die Fähigkeit, sich von Schubladendenken und Vorurteilen zu lösen und dem Gegenüber offen im Dialog zu begegnen. Wer das nicht tut, wird sich einem starken und selbstbewussten Bewerber gegenüber minderwertig fühlen und sich aus Angst gegen ihn entscheiden - mit mehr oder weniger rationalen Begründungen.

Wenn schwache Blender eingestellt werden

Starke Führungskräfte können nur von selbstbewussten Personalern eingestellt werden - ansonsten besteht die weitverbreitete Gefahr, dass die Wahl auf schwache Blender fällt, die viel versprechen, aber den eigenen Status nicht bedrohen. Vor diesem Hintergrund gilt es für Unternehmen, in deutlich stärkerem Maß an der Dialogfähigkeit und Veränderungsbereitschaft des Personals - auf allen Ebenen - zu arbeiten.

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