Fachkräftemangel

Gamification - der Schuss kann nach hinten losgehen

Kriemhilde Klippstätter ist freie Autorin und Coach (SE) in München.

Mögliche Kehrseite der Medaille

Anfänglicher Begeisterung folgt oft die Phase der Ernüchterung, zumindest, wenn man dem "Hype Cycle" von Gartner traut. Die Analysten glauben, dass das Thema Gamification schon bald den höchsten Punkt der Euphorie erreicht hat und sich demnächst - aufgrund nicht erfüllter, weil unrealistischer Erwartungen - in der Abwärtsbewegung wiederfinden wird. Dazu Analyst Burke: "Wir erwarten, dass 2014 rund 80 Prozent der derzeitigen gamifizierten Anwendungen die Erwartungen der Business-Bereiche nicht erfüllen werden, hauptsächlich wegen des schlechten Designs der Applikationen."

Beispielsweise warnt Gartner die Unternehmen davor, "bedeutungslose Knöpfe, Bonuspunkte oder Ranking-Listen" auf ihre Websites zu stellen. Vielmehr sollten sinnvolle Anreize die Zielgruppe zur Teilnahme bewegen. Zudem gehe es per se nicht um die bloße Teilnahme von Kunden und Mitarbeiter am Spieleprogramm, sondern es sollen die Geschäftsinteressen der Firma befördert werden. Eine kritische Analyse darüber, wie diese mit den geplanten Gamifizierungs-Maßnahmen zu erfüllen sind, sei somit unerlässlich.

Manfred Holler, Uni Hamburg: "Gamification beutet den Spieltrieb des Menschen aus."
Manfred Holler, Uni Hamburg: "Gamification beutet den Spieltrieb des Menschen aus."
Foto: Privat

Gerade das erscheint Manfred Holler, emeritierter Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, problematisch: "Gamication beutet den Spieltrieb des Menschen aus." Generell sieht er den Nutzen solcher Techniken hauptsächlich darin, den Absatz von Waren zu steigern: "Gamification verschiebt Angebot und Nachfrage zugunsten des Angebots."

Wird Gamification als Führungsinstrument eingesetzt, dann erinnert ihn das an die Bewegung "Humanisierung der Arbeit", die vor 40 Jahren Einzug in die Arbeitswelt hielt: "Konzepte wie die teilautonomen Arbeitsgruppen dienten mehr dem Unternehmen als dem Mitarbeiter, weil sich die Gruppen freiwillig unter Erfolgsdruck setzten und schwächere Kollegen ausgrenzten." Für ihn ist die Gamifizierung eine Fortführung dieser Strategie und eigentlich nur alter Wein in neuen Schläuchen: "Das Bewusstsein von Ort und Zeit geht beim Spiel verloren. Man steht im Wettbewerb mit sich selbst: Heute schaffe ich mehr als gestern." Von dieser verschärften Konkurrenz profitiere in erster Linie der Arbeitgeber.

Was Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch als Utopie galt, könnte sich jetzt bewahrheiten. Bereits 1981 beschrieb Holler, was passieren könnte: "Die Transformation der Arbeit in ein Spiel scheint ein mögliches Konzept, die tägliche Arbeit als eine ,Quelle des Glücks` zu gestalten. Vielleicht müssen wir eines Tages Eintritt zahlen, um arbeiten (spielen) zu dürfen."

"Nutzer ist nicht manipulierbar"

Christian Dyck von Scout24 Services ist anderer Ansicht: "Ich glaube nicht, dass man einen Nutzer manipulieren kann. Genau deswegen muss das Ausgangsprodukt an sich erfolgreich und das Gamification-Konzept genau darauf abgestimmt sein." Das deckt sich mit den Erwartungen von Gartner-Analyst Burke: "Gamification wird auf lange Sicht einen signifikanten Einfluss auf das Geschäft erringen und ein wichtiges Mittel für ein tieferes Engagement der Adressaten werden." (hk)

Gamification-Einführung

  • Das Kernprodukt muss stimmen.

  • Die Erweiterung um Gamification muss Zusatznutzen bringen.

  • Die Entwicklung sollte zusammen mit der Zielgruppe betrieben werden.

  • Die Zielgruppe wird motiviert durch bestimmte Dynamiken wie Status, Belohnung etc. und indem sie Spaß daran hat.

Kriemhilde Klippstätter ist Coach und freie Autorin in München.

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