Strategien


Bimodale IT

Gartner und Forrester streiten über den richtigen Ansatz

01.06.2016
Die Analysten von Gartner glauben, dass schon 2017 rund drei Viertel der großen IT-Organisationen dem bimodalen Konzept folgen werden. Forrester Research dagegen warnt vor einer "Zwei-Klassen-IT".

Claudio Da Rold, Vice President beim US-Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner, ist sich seiner Sache sicher: Schon im nächsten Jahr erreichen drei von vier Unternehmen eine "profunde Reife" in Sachen bimodale IT. Gemeint ist eine IT der zwei Geschwindigkeiten, bei der es in Modus 1 darum geht, die Systeme am Laufen zu halten, und im Modus 2 - dem der "nonlinearen IT" -, die Innovationen voranzutreiben. Laut Gartner bleibt vor allem der erste Modus die Domäne des CIO oder des Chief Operating Officer (COO). Je stärker es Richtung agile IT geht, desto häufiger übernehme ein Chief Digital Officer das Ruder oder der Chief Marketing Officer (CMO) - manchmal auch der CEO selbst.

Gartner sieht zwei IT-Modi mit verschiedenen Aufgaben: Der CIO sorgt dafür, dass die Systeme laufen. CDO und CMO sind die "Kreativen".
Gartner sieht zwei IT-Modi mit verschiedenen Aufgaben: Der CIO sorgt dafür, dass die Systeme laufen. CDO und CMO sind die "Kreativen".
Foto: Gartner

Demzufolge geraten CIOs in Budgetfragen weiter unter Druck. Die klassischen IT-Systeme müssen vor allem effizient betrieben werden, obwohl auch sie immer komplexer werden. Gleichzeitig sind nach Ansicht der Analysten viele CIOs nicht dafür geeignet, auch die geschäftskritischen Systeme des zweiten Modus zu betreiben. Gartner will in seiner Studie "2015 CIO Agenda" belegt haben, dass 42 Prozent der IT-Chefs die nötigen Skills fehlen. Im Übrigen seien auch viele Service-Provider auf der Ebene der klassischen IT stehen geblieben.

Forrester warnt vor Zwei-Klassen-IT

Zu einer anderen Einschätzung kommen die Analysten von Forester Research in dem aktuellen Report "The False Promise Of Bimodal IT". Sie warnen vor einer "Zwei-Klassen-IT". Es entstehe Unruhe und Lähmung, wenn zwei IT-Bereiche miteinander um Budget, Ressourcen, Skills und die Aufmerksamkeit des Business kämpften. Auf längere Sicht prägten sich vier große Problemherde aus:

1. Ein Zwei-Klassen-System sorge für erhöhte Komplexität und eine schlechtere Kultur. In Zeiten, in denen Unternehmen schnell und agil handeln müssen, ist es den Analysten zufolge kontraproduktiv, zwei IT-Gruppen zu unterhalten, die jeweils um Ressourcen und Anerkennung ringen. Zudem sei es wahrscheinlich, dass sich die Kollegen, die in der klassischen IT arbeiten, auf Dauer zurückgesetzt fühlten.

2. Die bimodale IT fußt laut Forrester auf einem technikzentrischen Denkmodell, nicht auf einem kundenzentrischen. Vorreiter in Sachen Digitalisierung - Forrester nennt hier die DBS Bank oder Schneider Electric - knüpften ihre Performance-Metriken heute aber an Kennziffern zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Um dort voranzukommen, müsse man Silostrukturen einreißen. Bimodale IT laufe aber der Idee zuwider, crossfunktionale Rollen zu schaffen und einen übergreifenden Omnichannel-Modus zu erreichen.

3. Die Analysten warnen weiter davor, dass eine bimodale IT die Neigung verstärke, Backend-Systeme unangetastet zu lassen. Alle operativen Systeme und Prozesse müssten mit Fokus auf den Kunden ausgerichtet werden - auch die im Backend. Die digitale Disruption zwinge Unternehmen zu organisatorischer Einfachheit und Agilität. Sie müssten auch kurzfristig Spinoffs ausgliedern und Kooperationen mit Dritten eingehen können, um neue Geschäftsfelder schnell zu erschließen. Nötig sei deshalb ein kontinuierliches "organisatorisches Re-Engineering". Dafür müssten Tech-Management-Teams auch ältere Backend-Anwendungen vereinfachen und modularisieren.

4. Forrester warnt schließlich davor, dass IT-Organisationen mit einem bimodalen Ansatz am Ende alle konzernweiten Veränderungen auf den Tisch bekämen. Die Business-Einheiten könnten sich aus der Verantwortung stehlen, auf Dauer sei eine Isolation der IT von den Business-Funktionen wahrscheinlich. Das Digitalzeitaler verlange aber, dass sich alle Unternehmensbereiche der Herausforderung stellten.

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