CIOs schreiben selbst

Gedanken zur Reform des deutschen E-Governments - Teil 1

12.10.2006
Von Harald Lemke

311 - Ein Beispiel für strategisches E-Government

In den USA haben viele Staaten eine Behörden-Telefonnummer eingerichtet: "311 - The Service-Line". Bürger dieser Staaten können unter 311 alle Behörden erreichen - ob auf Kommunal-, Kreis-, Landes- oder Bundesebene. Der Erfolg und die Akzeptanz dieser Service-Line sind beeindruckend, die alten (noch immer gültigen) Telefonnummern werden kaum noch genutzt. Ob Meldung einer wilden Müllkippe, eines offenen Kanaldeckels, Beantragung einer Drivers-License oder Sozialversicherungskarte - nur 311 wählen, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter nimmt den Anruf entgegen - in New York geht das in ca. 50 Sprachen! - und leitet das Anliegen an die richtige Stelle der föderalen Verwaltung. Ein Musterbeispiel für Bürgerzentriertes E-Government, schließlich ist das Telefon nach wie vor das meistgenutzte Medium für
Behördenkontakte.

Möglich wird dieser verwaltungsübergreifende Service erst durch die Verfügbarkeit neuer Technologien, in diesem Fall das oben beschriebene Voice-Over-IP. Alle Telefonannahmestellen in Stadt, Land und Bund werden zu einem virtuellen Callcenter zusammengeschaltet, der anrufende Bürger erreicht immer den nächsten freien Platz, wo immer sich dieser befindet. An jedem Arbeitsplatz dieser virtuellen Telefonzentrale steht ein System zur Verfügung, mit dessen Hilfe die häufigsten Fragestellungen einfacher Natur, wie z.B. Öffnungszeiten, Adressen oder Fristen, direkt beantwortet werden können. Einfache Meldungen, wie z.B. wilde Müllkippen, technische Störungen o. ä. können erfasst werden und gelangen als elektronischer Auftrag an die verantwortliche Dienststelle. Darüber hinaus hilft ein elektronisches Zuständigkeitsregister, um Anrufe direkt an den zuständigen Sachbearbeiter weiterzuleiten.

Die Service-Qualität für den Bürger war aber nicht der einzige Grund für die erfolgreiche Einführung von 311, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Texas ist auch Hochburg der Truthahnzucht. Hier war die Sorge ausschlaggebend, dass im Falle einer Vogelgrippe-Pandemie die notwendigen Callcenter ausfallen, weil die Mitarbeiter aus Furcht vor Ansteckung zu Hause bleiben.

  • In den großen Flächenstaaten mit weiten Fahrwegen ermöglicht die IP-Telefonie die Einrichtung vollfunktionsfähiger und mobiler Heimarbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten.

  • In vielsprachigen Staaten wie New York City können die Telefonkräfte nach sprachlichen Fähigkeiten eingesetzt werden: Wenn z.B. ein Mitarbeiter im Callcenter merkt, dass seine englischen und spanischen Kenntnisse nicht ausreichen, um sich ausreichend mit dem polnischen Anrufer zu verständigen, kann das Telefonat sofort an den nächsten Mitarbeiter weitergeleitet werden, dessen Profil polnische Sprachkenntnisse aufweist - in NYC können das auch freie Mitarbeiter für selten genutzte Sprachen sein.

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