Bertelsmann

Gegen den Outsourcing-Trend

04.11.2002
Von Marita Vogel
Die IT des Bertelsmann-Konzerns wird weltweit reorganisiert: Die Infrastruktur der Unternehmensbereiche soll in so genannten IT-Shared Service Center zusammengezogen, Outsourcing im größeren Stil aber vermieden werden, denn das sei politisch nicht durchsetzbar, sagt CIO Ragnar Nilsson.

Die Ansage an den neuen CIO Ragnar Nilsson war deutlich: Die IT-Strukturen des Medienkonzerns Bertelsmann müssten konkurrenzfähig aufgestellt, die Kosten reduziert werden, verlangte der Vorstand. Das soll durch eine konzernweite Reorgansiation erreicht werden: "Wir werden ab 2004 etwa 60 bis 90 Millionen Euro jährlich einsparen können", verspricht Nilsson.

Damit könnte der CIO zumindest einen kleinen Teil der Umsatzverluste auffangen, die die Gütersloher im ersten Halbjahr verzeichnen mussten: Der Umsatz sank - bedingt durch schwache Werbeeinnahmen - um 500 Millionen auf 8,8 Milliarden Euro. Allerdings konnte nach herben Verlusten im Vorjahreszeitraum (minus 885 Millionen Euro) mit 157 Millionen Euro Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) wieder ein deutliches Plus erzielt werden.

Das neue Kostensenkungsmodell, das Nilsson Mitte Oktober dem Vorstand präsentierte und das unter dem Namen Ignition firmiert, steht auf drei Beinen: Zum einen soll die stark fragmentierte IT-Infrastruktur zentalisiert werden, zum anderen die Kooperation der Unternehmensbereiche verbessert werden. Der dritte Ansatzpunkt steckt im Servicemanagement: Das soll durch Service Level Agreements verstärkt werden, die für mehr Kostenbewusstsein in den Fachbereichen sorgen.

Das wichtigste Thema von Ignition ist die Zusammenlegung der Infrastruktur der sieben Unternehmensbereiche (Arvato, Corporate Center, Direct Group, Gruner + Jahr, RTL und die US-amerikanischen Verlage BMG und Random House) in so genannten IT-Shared Service Center. Diese Center - schwerpunktmäßig in den USA und Europa gebündelt - werden die Bereiche Rechen- und Server-Zentren, User Computing, Helpdesks und Vernetzung betreuen. "Um erste Erfahrungen zu sammeln, läuft seit November ein Pilotprojekt bei den US-Töchtern Random House und BMG", sagt Nilsson.

Diese Erfahrungen sollen ab dem ersten Quartal 2003 auch im neu zu bildenden deutschen Service Center in Gütersloh umgesetzt werden. Darin eingebunden ist die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems, die zurzeit als IT-Dienstleister auch die Infrastruktur betreut. "Arvato Systems ist Teil des Konzepts", sagt Nilsson.

Mit dieser Lösung erteilte der Medienkonzern dem Thema Komplett-Outsourcing, wie es die Deutsche Bank momentan vollzieht, eine Absage. Weil seit dem Frühjahr rund 50 IBM-Berater an der Inventarisierung der Bertelsmann-IT-Infrastruktur mitwirkten, befürchteten Mitarbeiter eine entsprechende Auslagerung. "Das ist bei uns lange diskutiert worden, und es wäre auch machbar gewesen", sagt Nilsson. "Ein vollständiges OutsourcingOutsourcing ist aber aus politischen und organisatorischen Gründen in der dezentralen Bertelsmann-Welt nicht umsetzbar." Alles zu Outsourcing auf CIO.de

Nun sollen wie bisher Dienstleister in verschiedenen Bereichen Aufgaben übernehmen. Dabei wird die Zahl dieser Dienstleister reduziert: "Wir arbeiten beispielsweise im Bereich weltweite Netze mit etwa 50 bis 60 verschiedenen Lieferanten zusammen. Davon könnten wir ein bis zwei auswählen, die diese Aufgaben ganz übernehmen", sagt der Bertelsmann-CIO. Für welche anderen Bereiche dieses Modell greifen könnte, stehe noch nicht fest. Das Finanzvolumen der Dienstleister-verträge werde insgesamt sinken, das inhaltliche Volumen zunächst konstant bleiben. In den nächsten Jahren werde der Umfang aber vermutlich steigen.

Auch über die Auswirkungen von Ignition auf die IT-Arbeitsplätze ist nichts Konkretes zu hören. Klar scheint jedoch, dass es hier künftig Streichungen geben wird: "Eine Arbeitsplatzgarantie kann es nicht geben. Kostenreduzierungen haben schließlich auch immer mit Personalreduzierung zu tun", räumt Nilsson ein.

Da dürfte es die sieben Divisions-CIOs des Medienriesen zumindest ein wenig beruhigen, dass sie auch nach der Umstrukturierung weiterhin Herr in ihrem Unternehmensbereich sein werden, wie Nilsson versichert. Auch eine Berichtspflicht gegenüber dem Konzern-CIO sei nicht im Gespräch: "Bei einem guten Team ist das nicht nötig."

Das CIO-Council, das aus Klaus-Peter Blobel (Konzern-Auditing), Miles Braffett (BMG), Hans-Dieter Groffmann (Gruner + Jahr), Michael Pesch (Arvato), Robert Simmeth (Direct Group), Pierre Wagner (RTL) und Andrew Weber (Random House) besteht, war an der Entwicklung der neuen Lösung maßgeblich beteiligt. "Das war quasi ein demokratischer Prozess", erklärt Nilsson. Gemeinsam habe man wichtige Punkte wie Budget, Strategie und Sicherheit erarbeitet.

Eine neue Aufgabe für das Council ist bereits in Sicht: Sobald der erste Teil von Ignition umgesetzt ist, sollen die Applikationen auf den Prüfstand. Doch da bremst Nilsson noch: "Wir haben mit der Infrastruktur einen Riesenbrocken vor der Brust - mit dem Rest lassen wir uns Zeit."

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