Titelgeschichte

Gemeinsam Kurs halten

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.

Krisenreaktion statt strategischer Weitsicht

Peter Dück, Sourcing- und Strategie-Experte bei Gartner, stimmt hier zu: "Eine Strategie sollte nicht von der kurzfristigen Finanzierbarkeit abhängig sein; in der Realität ist sie es aber häufig." Das werfe die Frage auf, "ob es überhaupt noch Unternehmertum bei uns gibt." Die pessimistische Antwort: "Viele Unternehmen werden eher getrieben, als einer Vision zu folgen." Über Strategie werde freilich dennoch geredet - auch wenn nur taktische Maßnahmen gemeint seien. Zur populären IT-Sparmaßnahme mit strategischem Anstrich entwickelt sich auch hierzulande, nach anfänglichem Zögern, das OutsourcingOutsourcing. Wilfried Krüger, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmungsführung und Organisation an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hat damit kein Problem - solange es sich um administrative Prozesse wie die Personalverwaltung oder standardisierte Funktionen wie den Zahlungsverkehr im Bankwesen handelt. Hier seien keine Wettbewerbsvorteile zu holen, konstatiert der Wissenschaftler. "Fatal" wäre eine rein kostengetriebene Strategie dagegen in Bereichen, wo es darum gehe, "sich durch individuelle Beratung und andere Qualitätsmerkmale vom Wettbewerb abzuheben". Privat- und Investment-Banking zählen für ihn dazu. "Individuelle Qualitätsprozesse erfordern eine differenzierte Strategie - auch für die IT." Alles zu Outsourcing auf CIO.de

Eine unternehmensstrategische Rolle kann die IT nur spielen, wenn bei jedem Geschäftsprozess-Design die Verantwortlichen für Technologie und IT-Ressourcen zu den Treibern zählen. Tatsächlich sitzen CIOs jedoch bei der Prozessplanung oft nur am Katzentisch. "Wir kommen oft nur dann ins Spiel", klagt eine IT-Managerin, die nicht genannt werden möchte, "wenn bei Bereichs-Meetings jemandem einfällt, uns dazuzuholen." Das Selbstverständnis als "Chief InnovationInnovation Officer", das Hamel den CIOs nahe bringen will, lässt sich mit solchen Notfalleinsätzen sicher nicht realisieren. Alles zu Innovation auf CIO.de

Diplomatische Knochenarbeit erforderlich

Zumindest ein Grund für die Misere ist einfach zu erklären - dafür umso schwieriger auszuräumen: IT und Business finden oft nicht zusammen, weil die Verantwortlichen sich nicht verstehen, konstatiert Krüger. Das Business sehe IT meist als Werkzeug für Spezialisten an. Dass sie eine "strategische Waffe sein kann, sei im Bewusstsein vieler Entscheidungsträger "kaum entwickelt. Umgekehrt hätten IT-Manager zu wenig mit Geschäftsstrategien am Hut. Diagnose des Forschers: "Die gedanklichen Schnittstellen sind nicht ausgeprägt."

Auch Gartner-Mann Dück hält die Beziehungen zwischen IT und Business für stark verbesserungsbedürftig. "Selbst wenn der CIO Rückendeckung vom Vorstand hat, kann es sein, dass ihm das im täglichen Leben nichts hilft", warnt der Berater mit Erfahrung aus diversen DAX-Unternehmen. CIOs müssten ihre Strategie allein durchsetzen und hätten dabei oft die Bereichsverantwortlichen gegen sich. Dück: "Im politischen Kampf geht es ans Eingemachte. Das erfordert diplomatische Knochenarbeit."

Im Top-Management fehlen Generalisten

Hinter den Problemen steckt anscheinend auch eine deutsche Eigenart, die nach der Beobachtung von Krüger in den hierzulande üblichen "funktionsgetriebenen Karrieremustern" begründet ist: Manager wüchsen aus Marketing, Vertrieb oder IT hoch bis in den Vorstand, ohne ihre Perspektive wesentlich zu erweitern. "Es gibt in Deutschland keine Tradition des General Management", klagt der Gießener Wissenschaftler. Die Folge: jede Menge erstklassige Funktionsspezialisten, aber wenige Generalisten im Top-Management.

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