Bayer Material Science

Größter Umbau der Firmengeschichte

Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.
Kurt De Ruwe, CIO, Bayer Material Science (links): "Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie aus ihrer Komfortzone herausholen."
Kurt De Ruwe, CIO, Bayer Material Science (links): "Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie aus ihrer Komfortzone herausholen."
Foto: Michael Rennertz

Um nicht ebenfalls in diese Falle zu tappen, setzt De Ruwe auf eine umfangreiche wie kontinuierliche Kommunikation sowie auf konsequentes Training. In mehr als 30.000 Einheiten - Vor-Ort-Kursen sowie Online-Lehrgängen - lernen die Mitarbeiter erstens, wie sie SAP nutzen, und zweitens, wie sie in den neuen Prozessen arbeiten. Außerdem engagierte der CIO eigens einen erfahrenen Change-Manager und Kommunikations-Profi, der den Wandel begleitet und das interne Marketing pflegt. Regelmäßig werden die Mitarbeiter über den Stand der Dinge informiert, es werden Zwischenabschlüsse gefeiert, und es wird keine Gelegenheit ausgelassen, die Ziele wieder und wieder zu erklären.

Raus aus der Komfortzone

In Watte gepackt hat er die Mitarbeiter jedoch nicht. "Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie auch aus ihrer Komfortzone rausholen", sagt De Ruwe. Sein CEO kann dem nur zustimmen: "Ich zahle meinen CIO nicht, damit er nett ist", sagt er. "Ich zahle ihn dafür, unbequem zu sein." Zu schaffen war dies nur mit Linien, die im Vorfeld straffgezogen wurden. Wie der Business-Case-Workflow für SAP-Modifikationen oder die Regel, dass niemand für das System freigeschaltet wird, wenn er nicht die erforderlichen Schulungen absolviert hat.

Nach den wichtigsten Aufgaben der IT gefragt, fokussiert das Nicht-IT-Management mehr auf Effizienz und Effektivität. Der CIO hat eher die Kosten im Blick.
Nach den wichtigsten Aufgaben der IT gefragt, fokussiert das Nicht-IT-Management mehr auf Effizienz und Effektivität. Der CIO hat eher die Kosten im Blick.
Foto: cio.de

Eine besonders dicke Kröte bekommt die Belegschaft in und um Leverkusen gleich zu Beginn zu schlucken. Zum ersten Mal in der Historie des Traditionskonzerns beginnt ein unternehmensweites Projekt nicht in Deutschland. Amerika machte den Anfang, hierher verlegt BMS die Zentrale für das globale Prozessdesign. Aus zwei guten Gründen: Der Bedarf, einheitliche Prozesse und Systeme zu installieren, war dort besonders groß (der Widerstand entsprechend gering). Außerdem signalisierten die Verantwortlichen mit dieser Entscheidung mehr als deutlich: Der Wille zur Veränderung ist ernst gemeint. "Wir brauchten ein starkes Symbol für den Change", sagt Patrick Thomas. Nicht in Deutschland zu starten war ein solches Symbol.

In Amerika zeigte sich auch gleich, wie sinnvoll es war, jede SAP-Modifikation auf Wirtschaftlichkeit zu checken. Beispiel Lagerhaltung: Die Amerikaner wollten immer einen Container Material auf Lager haben, falls ein Auftrag eingeht. SAP sieht als kleinste Einheit jedoch 40 Container vor. Überzeugt davon, ein spezielles Programm dafür zu benötigen, baten die Kollegen um eine Softwaremodifikation. "Aber Kurt blieb unerbittlich", schmunzelt Thomas. Am Ende änderten die Amerikaner ihren Prozess, nicht das Programm.

Zur Startseite