Bitkom-Umfrage

Industrie 4.0 nimmt Fahrt auf

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Immer mehr ITK-Anbieter bauen Lösungen für Industrie 4.0. Allerdings hätten viele Anwenderunternehmen die Potenziale noch nicht erkannt und agierten zu zögerlich, kritisiert der Bitkom und verweist auf eine eigene Umfrage. Außerdem sei die Politik gefordert, einen passenden Rahmen für das kommende neue industrielle Zeitalter zu schaffen.

"Vor gerade einmal drei Jahren war Industrie 4.0 für die große Mehrheit der Unternehmen noch Zukunftsmusik", konstatierte Bitkom-Präsidiumsmitglied Michael Kleinemeier auf der diesjährigen CeBIT in Hannover. Seitdem habe das Thema jedoch rasant an Bedeutung gewonnen. "Industrie 4.0 wird im produzierenden Gewerbe zum Standard und die IT-Anbieter sind ein wesentlicher Treiber."

Nicht alle Anbieter sind beim Thema Industrie 4.0 mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs.
Nicht alle Anbieter sind beim Thema Industrie 4.0 mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs.
Foto: George Sheldon - shutterstock.com

Mehr als vier von zehn IT-Unternehmen (43 Prozent) bieten bereits Dienstleistungen und Produkte für Industrie 4.0 an, berichtete der IT-Verband unter Berufung auf eine eigene Umfrage. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) plane derartige Angebote beziehungsweise könne sich vorstellen, dies zu tun. Damit hätten die IT-Unternehmen ihre Aktivitäten im Bereich Industrie 4.0 innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt, hieß es. Bei einer Befragung im Jahr 2014 gab nicht einmal ein Viertel der Anbieter an, bereits Industrie-4.0-Anwendungen im Portfolio zu haben. Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage wurden im Auftrag des Bitkom mehr als 300 ITK-Anbieter befragt.

Die Erwartungen hinsichtlich Industrie 4.0 sind groß. Die Verknüpfung von klassischer Produktion mit IT-Technik und dem Internet könne einer Bitkom-Studie zufolge in Deutschland in sechs volkswirtschaftlich zentralen Branchen - darunter Maschinen- und Anlagenbau, KFZ-Hersteller, Elektrotechnik und chemische Industrie - bis zum Jahr 2025 für Produktivitätssteigerungen in Höhe von insgesamt bis zu 78,5 Milliarden Euro sorgen. "Alles wird vernetzt", sagte Kleinemeier, "von der Hausmaschine bis zur Produktionsanlage."

Anwenderindustrie fährt mit angezogener Handbremse

Während die ITK-Anbieter mit ihren Industrie-4.0-Lösungen in den Startlöchern stehen, gehen die Anwenderunternehmen das Thema offenbar etwas langsamer an. Viele Fertigungsunternehmen hätten die Anwendungsbereiche von Industrie 4.0 noch nicht erkannt, sagen vier von zehn der im Rahmen der Studie befragten Anbieter. Fast jeder Zweite (49 Prozent) monierte zudem, dass viele Mittelständler den Begriff Industrie 4.0 nach wie vor nicht kennen würden. Aus Sicht von knapp zwei Dritteln (65 Prozent) der Befragten gingen viele Fertigungsunternehmen die Umsetzung von Industrie 4.0 zu zögerlich an.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Demzufolge würden vor allem technische Hürden die Nutzung von Industrie 4.0 bei den Kunden bremsen. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass unterschiedliche Standards derzeit noch ein Hemmnis für Industrie 4.0Industrie 4.0 seien. 37 Prozent sehen Schwierigkeiten beim Einbinden des vorhandenen Maschinenbestands in den Werkhallen. "Gemeinsame und branchenübergreifende Standards sind essenziell für den Erfolg von Industrie 4.0. Maschinen und Produkte müssen ebenso einfach miteinander kommunizieren können wie Smartphones", stellte Kleinemeier fest und forderte Politik und Industrie auf, dafür schnell Lösungen zu finden. Alles zu Industrie 4.0 auf CIO.de

Die Politik ist gefragt

Kleinemeier appellierte an alle Beteiligten, sich von den Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen. "Die Herausforderungen sind riesig, aber auch die Chancen sind riesig." Es hätte dramatische Folgen, wenn Deutschland diese Chancen vergeben würde. Schließlich werde kein Wettbewerbsland auf uns warten, sagte der Manager, der auf der Gehaltsliste von SAP steht.

Um ihnen den Weg zu künftigen Geschäften zu ebnen, rufen die Vertreter der IT-Branche nach Unterstützung durch die Politik. Industrie 4.0 benötige einen passenden rechtlichen Rahmen, forderte Kleinemeier und mahnte aus seiner Sicht notwendige Anpassungen beim AGB- und Datenschutzrecht an. Außerdem brauche es Reformen im Bildungssystem. Schließlich würde Industrie 4.0 die Art und Weise der künftigen Arbeit massiv verändern.

"Deutschland hat beim Thema Industrie 4.0 als Industrienation immer eine hervorragende Ausgangsposition, wir müssen sie nutzen", so Kleinemeier. Um Deutschland als Vorreiter der Digitalisierung von Produkte und Produktionsprozessen zu stärken hat der Lobbyverband Bitkom im Wahljahr 2017 ein Positionspapier veröffentlicht. Es sei wichtig, dass die Politik den Strukturwandel über 2017 hinaus konstruktiv begleite, heißt es darin. Die Politik müsse sich um ein Hochleistungs-Industrial-Internet kümmern, Pilotprojekte fördern sowie auch gut ausgestattete Forschungsprogramme auflegen. Auf der Wunschliste stehen ferner eine bessere Unterstützung für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sowie der Ausbau von Finanzierungsmöglichkeiten für Startups.

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