Informatiker entwickeln Nervensystem für Autos

10.07.2013
Unzählige Funktionen sind in Autos miteinander verkabelt. Langsam stoßen die Geräte an ihre technischen Grenzen. Eine mögliche Lösung entwickeln Hamburger Forscher für das Auto von morgen. Doch die Technik birgt auch neue Gefahren.

Wie wir uns künftig in Fahrzeugen fortbewegen könnten, ist in Science-Fiction-Filmen hinlänglich bekannt: Autos rollen wie eine Flotte Raumschiffe über blinkende Bahnen. Ein Bordcomputer leitet sie per Auto-Pilot ans gewünschte Ziel, Unfälle gehören der Vergangenheit an - wegen eingebauter Schutzschilde, dank derer die Wagen automatisch ausweichen. Schon heute parken Autos ohne menschliches Zutun ein, Sensoren warnen vor zu schnellem Fahren, Kameras suchen die Umgebung nach Gefahren ab.

Möglich machen dies Steuergeräte, die im Innenleben des Autos miteinander kommunizieren. Mehrere tausend Schnittstellen sind in modernen Pkw verbaut - die Anforderungen an sie nehmen stetig zu. "Immer mehr Funktionen überfordern zunehmend die Fahrzeugnetzwerke", sagt Franz Korf, Informatiker der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Es zeichne sich ab, dass die herkömmlichen Leitungen, die zum Austausch von Informationen benötigt werden, bald an ihre Grenzen stoßen.

In einem Forschungsprojekt entwickelt Korf eine intelligente Bordnetz-Architektur für das Auto - was man mit einer neuen Art von Nervensystem für Fahrzeuge vergleichen könnte. Das Ziel: Ein einziges schnelles sogenanntes Ethernetkabel soll die schier unüberschaubare Zahl kleiner Kabel ersetzen, um damit Herr über das elektronische Sprachengewirr zu werden - und den Weg für größere Datenpakete zu bahnen. "Datenpakete müssen zwischen Geräten zum richtigen Zeitpunkt übertragen werden. Wenn die Rückfahrkamera für den Bruchteil einer Sekunde später reagiert, kann es sein, dass ich mit einem Fahrrad zusammenstoße", sagt Korf.

Ethernet wird längst im Alltag verwendet und verbindet in Büros den Computer etwa mit dem Drucker. Bis 2021 soll die von Korf erforschte Technologie in Luxus-Limousinen serienmäßig eingebaut werden.

Mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Till Steinbach forscht Korf an einer Maschine, die auf den ersten Blick wie ein Simulator für Autorennen aussieht: Vor einem PC-Bildschirm ist ein Lenkrad aufgebaut, über einem mit Computerplatinen vollgepackten Schaukasten springt ein Scheinwerfer an. Daneben schiebt sich eine Achse via Tastendruck hin und her. Im Inneren testet gleichzeitig der Rechner, ob das digitale Nervensystem die Signale über das Ethernet-Kabel zu den Bauteilen richtig überträgt.

Der Unterschied: Bisher werden alle Informationen zuerst in einer Art Zentralhirn in der Mitte des Autos gesammelt und erst dann an die Bauteile verteilt, wie Steinbach am Bildschirm erläutert. "Weil aber nicht alle Daten in der Mitte gebraucht werden, ist das heutige System ziemlich ineffizient." Mit Ethernet sollen Datenpakete den kürzesten Weg vom Sender zum Empfänger nehmen, ohne diese Zentrale passieren zu müssen, ergänzt Korf. "Die Ethernet-Leitung ist um das 200-fache schneller als die herkömmlichen kleinen Bus-Kabel. Auf kurz oder lang können Autobauer mit Ethernet Kosten sparen, weil weniger Kabel benötigt werden."

Das Forschungsprojekt an der HAW ist nicht die einzige Zusammenarbeit zwischen Automobilindustrie und Informatikern. So arbeiten etwa Wissenschaftler und Hersteller in dem Projekt "Sichere Intelligente Mobilität - Testfeld Deutschland" (SIM-TD) zusammen - dabei wurde nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) über mehrere Jahre im Großraum Frankfurt getestet, ob Sendemasten am Straßenrand die Autofahrer über weite Entfernungen schnell und zuverlässig vor aktuellen Verkehrsgefahren warnen können.

Die neue Technik der Hamburger birgt aber auch Gefahren: Das Ethernet - der Standard schlechthin für die Kommunikation zwischen Rechnern und Servern - sei auch für viele Hacker nutzbar, sagt Bernd Klusmann vom Branchenverband Bitkom. Schlimmstenfalls könnten sie sich über ein Funknetz Zugang auf das digitale Nervensystem verschaffen - und so teilweise die Kontrolle über das Auto erlangen. "Steht das Fahrzeug auf einem Parkplatz, könnten Kriminelle wichtige Funktionen manipulieren", sagt Klusmann. Wichtig sei daher, auch Sicherheitssysteme wie Firewalls in Autos einzubauen. (dpa/rs)

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