Führung geht anders

Jeder zweite Chef demotiviert seine Mitarbeiter

Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Nur ein Drittel der deutschen Chefs schafft für die Mitarbeiter ein leistungsförderndes Klima. Das ergab eine Studie der Hay-Group. Andere ignorieren ihre Talente im Unternehmen.

Mit Dienstwagen, einem Belohnungssystem und extra-Urlaub kann man Mitarbeiter durchaus motivieren. Aber wenn der Chef ein schlechtes Arbeitsklima schafft, hilft alles nichts. Genau das tut knapp die Hälfte aller Führungskräfte in Deutschland, wie die Unternehmensberater der Hay Group herausfanden. Für die Studie befragte die Hay Group 95.000 Führungskräfte aus über 2200 Unternehmen weltweit.

Frustrierte Mitarbeiter sind häufiger krank.
Frustrierte Mitarbeiter sind häufiger krank.
Foto: Picture-Factory - Fotolia.com

Nur 37 Prozent der Chefs in Deutschland schaffen ein Klima, das Leistung fördert und die Mitarbeiter motiviert. 15 Prozent der Führungskräfte verhalten sich neutral, behindern ihre Mitarbeiter also nicht, sorgen aber auch nicht dafür, dass diese ihr Potenzial voll entfalten können. Knapp die Hälfte (49 Prozent) der Chefs demotiviert Mitarbeiter. Daran hat sich seit 2011 nicht viel geändert. Dabei könnten Führungskräfte mit mehr Motivation die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen deutlich erhöhen.

Deutsche motivieren am meisten

Wer hierzulande glaubt, der eigene Chef sei ein Choleriker und Drücker: In den meisten europäischen Ländern ist die Situation noch drastischer. Deutschlands Chefs legen der Studie zufolge im europäischen Vergleich am meisten Wert auf einen partizipatorischen Stil. In Italien etwa schaffen 70 Prozent der Chefs ein demotivierendes Klima, in den Niederlanden 68 Prozent und in Spanien 62 Prozent. Nur die USA motivieren am meisten: 48 Prozent der Chefs gelingt das, nur knapp hinter Deutschland.

Die Ursache in der fehlenden Motivationsfähigkeit der Chefs sieht die Hay Group darin, dass Chefs auf einen einzigen Führungsstil setzen und ihn nicht der Situation anpassen. "All unsere Studien zeigen, dass ein durchdachter Mix an Führungsstilen das Unternehmensklima verbessert", sagt Thomas Gruhle, Mitglied der Geschäftsleitung. Zudem pflege die Generation X immer noch den direktiven Führungsstil: Der Chef befiehlt, der Angestellte springt. Die Generation Y hat eine Abneigung gegen diese autoritäre Art der Führung und fühlt sich dementsprechend schlecht.

Die sechs Führungsstile

Die Hay Group hat sechs verschiedene Führungsstile ermittelt:

  1. Im direktiven Umgang erwartet der Chef, dass die Mitarbeiter seinen Anweisungen ohne Wenn und Aber folgen. Das Warum erfährt der Mitarbeiter meist nicht. Das kann bei Umstrukturierungen hilfreich sein, wenn man ein Unternehmen aus der Krise holen muss. Zum normalen Arbeitsalltag passt dieser Führungsstil nicht.

  2. Der visionäre Chef setzt darauf, seine Mitarbeiter zu entwickeln und erarbeitet mit ihnen Perspektiven. Ihm ist es wichtig, dass seine Kollegen verstehen, warum sie etwas tun sollen.

  3. Ihm ähnlich ist der coachende Chef , dem die Entwicklung seiner Angestellten sehr am Herzen liegt.

  4. Andere Vorgesetzte fördern den Zusammenhalt: Ihnen ist es wichtig, dass alle gut miteinander umgehen. Vor allem in Stresszeiten ist das ein guter Führungsstil, denn das Team rückt näher zusammen.

  5. Eher von Jüngeren ausgeübt: Ein partizipativer Chef drückt seine Befehle nicht durch, sondern setzt auf Teamarbeit. Das fördert die Motivation der Mitarbeiter sehr.

  6. Der Perfektionist stresst seine Mitarbeiter schon mal mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Arbeit. Andererseits greift er ein, wenn man selbst nicht weiter weiß. Laut Hay Group ist eine Führungskraft nur erfolgreich, wenn sie so viele Führungsstile wie möglich beherrscht und sie in der jeweiligen Situation auch ausübt.

Mehr Motivation bedeutet mehr Gewinn

Ein schlechtes Arbeitsklima hat wirtschaftliche Auswirkungen: Egal in welchem Sektor, bei schlechter Stimmung steigt der Krankenstand und Mitarbeiter sind wechselbereiter. Umgekehrt steigert ein guter Umgang die Produktivität. Laut Hay-Studie sinkt die Mitarbeiterfluktuation um ein Drittel, wenn eine angenehme Arbeitssituation vorherrscht. Die Angestellten sind zudem seltener und kürzer krank: Fehlzeiten gehen um 25 Prozent zurück. Gleichzeitig steigt die Produktivität. "Je nach Klima kann diese um 30 Prozent nach oben oder unten schwanken", sagt Gruhle von der Hay Group.

Firmen ignorieren Talente

Zu den Erkenntnissen der Hay Group passen die Ergebnisse einer anderen Studie: Zwei Drittel aller Firmen in Deutschland ignorieren ihre Talente laut einer Umfrage der Unternehmensberatung ROC Deutschland. Die Berater fragten HR-Manager, wie es um das Talentmanagement in ihrer Firma bestellt sei. Nur etwa ein Drittel der Firmen wisse genau, welche Qualitäten ihre Mitarbeiter hätten. Umgekehrt hätten 70 Prozent der Firmen keine Ahnung, welche verborgenen Talente in ihrem Betrieb stecken. Da dürfte es schwer sein, sich Nachwuchs heranzuziehen, um den FachkräftemangelFachkräftemangel entgegenzutreten. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Motivierte Mitarbeiter arbeiten produktiver.
Motivierte Mitarbeiter arbeiten produktiver.
Foto: HAG GmbH

Nur jedes fünfte Unternehmen habe ROC zufolge die Fähigkeiten der Mitarbeiter technisch gut aufbereitet. Der Personalabteilung gehe es ähnlich wie der IT-Abteilung. Der wahre Wert der Arbeit wird ignoriert. HR werde, so die Umfrage, immer noch als reines "Lohnbüro" angesehen, genau wie die IT als Helpdesk.

Kein Wunder, dass talentierte Kollegen oft frustriert sind: Der Chef motiviert nicht, und die eigenen Qualitäten werden nicht erkannt. Will ein Unternehmen erfolgreich sein und Mitarbeiter halten, sollten ein gutes Arbeitsklima und Talentmanagement hohe Priorität haben. Denn: Frustrierte Mitarbeiter sind häufiger krank und wechselbereit.

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