Strategien


IT-Manager wetten

Kein Kunde kauft mehr ohne IT ein

28.05.2015
Von Mark Michaelis

Spannend für den Handel ist die Frage, in welchem dieser Abschnitte der Anteil der IT-Interaktionen am höchsten sein wird. Meine persönliche Prognose lautet: Die Zahl der IT-Interaktionen steigt von Abschnitt eins hin zu Abschnitt drei. Je näher der Kunde dem eigentlichen Kauf kommt, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit einer IT-Interaktion.

Für jeden der Abschnitte eines Kaufprozesses stelle ich Ihnen nun verschiedene Szenarien vor. Einige existieren heute noch nicht, manche gibt es schon in Laboren, die meisten allerdings befinden sich bereits im Stadium der Marktreife. Ihre Einführung im stationären Handel wird derzeit ausschließlich durch die Faktoren Kundenakzeptanz und hohe Investitionskosten im Vergleich zu geringen Renditen verhindert.

Kaufidee

Zu jedem Kauf gehört eine erste Kaufidee. In der Vergangenheit versuchte der stationäre Handel diese über die klassischen Medien zu wecken: gedruckte Flyer, Zeitungsanzeigen, Fernseh- und Radiowerbung sowie Schaufenster. Mittlerweile bewerben die Händler ihre Produkte und Angebote immer stärker online über Webseiten, E-Mails, Apps oder in den sozialen Medien (SMM) mit dem Ziel, außerhalb einer Multi-Channel-Strategie präsent zu sein. Mit anderen Worten: Bereits heute finden in der Phase "Kauf¬idee" IT-Interaktionen statt - Tendenz steigend.

Am kräftigsten wächst dabei das Volumen der Werbung auf mobilen Endgeräten. Das Schweizer Medien-Network Zenith Optimedia, das seit 1987 Prognosen im Bereich Marketing und Medien erstellt, analysierte in einer aktuellen Studie, dass die Investitionen in mobile Werbung in knapp drei Jahren bereits die Summe für die klassischen Medien Radio, Zeitschrift und Außenwerbung überholt haben werden. Die Werbebudgets für mobile Endgeräte sollen demnach bis 2016 jährlich um durchschnittlich 50 Prozent ansteigen. Das Wachstum im mobilen Segment ist somit sechsmal schneller als das von Werbung auf PCs und Laptops mit durchschnittlich acht Prozent pro Jahr.

Die Vorzüge der mobilen Werbung liegen auf der Hand: Klassische Medien wie Print, TV und Radio verteilen ihre Botschaft nach dem "Gießkannenprinzip" und nehmen somit hohe Streuverluste in Kauf. Werbung auf mobilen Geräten ermöglicht eine höhere Individualisierung. Auch die stationären Händler werden also analog den Online-Händlern ihre Anregungen zu Kaufideen deutlich stärker individualisieren und direkt in jene Zielgruppen bringen, die für den eigentlichen Kauf relevanter sind.

Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Geofencing. Hierbei wird die Kundengruppe angesprochen, die sich im direkten Umfeld des stationären Händlers befindet. Dieser spannt um seinen Laden einen virtuellen Zaun, etwa im Umkreis von 500 Metern. Dieser virtuelle Zaun wird mithilfe von Mobilfunkzellen oder GPS-Daten berechnet. Betritt ein potenzieller Kunde diesen eingezäunten Bereich, erhält er Kaufangebote in Form von SMS oder Produkteinblendungen auf seinem mobilen Endgerät.

Bei dem Kunden wird also aufgrund seiner geografischen Position Werbung und somit eventuell eine Kaufidee generiert. Neben der direkten Ansprache des Kunden ermöglicht dieses Verfahren, im Gegensatz zu den klassischen Verfahren, eine hohe Messbarkeit der Marketingmaßnahme. Denn verändert der Kunde nach Einblendung des Angebotes seine Position hin zu dem Händler mit dem Angebot, kann von einer erfolgreichen Marketingmaßnahme ausgegangen werden.

Den dauerhaften Erfolg dieser Marketingmaßnahme halte ich allerdings für begrenzt. Das Push-Verfahren dürfte aus Sicht des Kunden und auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes schwer durchsetzbar sein. Besser geeignet sind geostationäre Angebote nach dem Pull-Verfahren: Der Kunde öffnet sein Smartphone und erhält Angebote von Händlern in seinem direkten örtlichen Umfeld. Für den Händler ist dies eine Chance, Überangebote über seine Ladengrenzen hinaus anzubieten und abzubauen. Die teure stationäre Verkaufsfläche wird um einen nahezu kostenfreien virtuellen Raum erweitert.

Erste flächendeckende Projekte hierzu gibt es derzeit in Berlin. Ebenso erste Erfahrungswerte. Eine Studie (erstellt durch Zheng Fang, Associate Professor an der Sichuan University in Chengdou, China) im "Havard Business Manager" stellt beispielsweise die Entfernung und die Dauer dieser geostationären Angebote gegenüber. Demnach ist der Übergang von der Kauf¬idee zum eigentlichen Kauf dann besonders häufig, wenn sich der Kunde in räumlicher Nähe befindet und gleichzeitig das Angebot zeitlich begrenzt, aber direkt abrufbar ist.

Eine weitere Möglichkeit, die stationäre Verkaufsfläche zu erweitern, bildet die VirtualisierungVirtualisierung. Die weltweit agierende englische Supermarktkette Tesco hat bereits mehrere stationäre Auftritte virtualisiert. Zum Beispiel in der U-Bahn von Seoul. Großflächige Bildschirme zeigen die herkömmlichen Regale an den U-Bahn-Haltestellen. Der Kunde bestellt via mobiler App, und die Ware wird nach Hause geliefert. Tesco verringert damit die teure, stationäre Verkaufsfläche, bietet die Ware ohne Kapitalbindung an und kann sich an Orten mit hoher Laufkundschaft präsentieren. Alles zu Virtualisierung auf CIO.de

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