Alle Macht der Avantgarde

Keine Angst vor Innovationen

31.05.2006
Von Karl Ulrich

David-gegen-Goliath-Effekte lassen sich nutzen, um auf neuartige Ideen, Konzepte, Produkte und Organisationsformen zu stoßen. Was für Apache gilt, lässt sich problemlos auf andere Produkte und Services übertragen - man denke dabei nur an die Erfolgsgeschichte von Linux oder an das Bilden neuer verschworener Konsum- und Eventgemeinschaften durch Guerilla-Marketing-Aktivitäten. Ein Beispiel dafür ist das Modelabel Comme des Garçons. Die Shops, die diese Marke verkaufen, haben keinen festen Standort, sondern öffnen immer für ein paar Wochen und werden dann wieder geschlossen.

Vorreiter und Tross

Die Herkunft des Begriffs aus dem Militärjargon lässt es schon vermuten: Die Arbeit der Avantgarde ist zeitlich begrenzt. Über kurz oder lang wird sie vom Heer eingeholt, ihre Aufgabe ist zu Ende.

Sie hat einen furiosen Start, lebt äußerst intensiv und endet nach kurzer Zeit. Sie kann nie mehr sein als ein Projekt. Warum aber ist Avantgarde nicht beständig? Sie ist ihres Erfolgs wegen attraktiv und nimmt durch ihre magnetische Wirkung selbst Zug um Zug Mainstream-Charakter an. Mit ihrer Nähe zur Mode aber macht die Avantgarde ihre Ideen, Konzepte und Gegenstände selbst modisch - und entzieht sich damit langfristig ihre eigene Existenzgrundlage.

Ein Beispiel dafür, wie schnell Ideen eingeholt werden, waren die Fotos des Fotografen Oliviero Toscani für die Imagekampagne des italienischen Modeherstellers Benetton Anfang der 90er Jahre. Sie zeigten sterbende Aids-Kranke, ölverschmierte Enten und küssende Nonnen. Damit beging Benetton Tabubrüche und nahm eine provokative Gegenposition zum bis dahin braven Mainstream-Marketing ein.

Die Kampagne wurde später nicht nur in der Werbebranche in vielen entschärften Varianten nachgebaut. Auch Benetton selbst hat - nach dem Abgang Toscanis - das Konzept mit dem Foto einer Afghanin, die mit und ohne Burka gezeigt wird, in Mainstream-Manier fortgeführt.

Zur Startseite