Alle Macht der Avantgarde

Keine Angst vor Innovationen

31.05.2006
Von Karl Ulrich

Transkulturalität bildet einen Gegensatz zur Einheitlichkeit und fördert eine neue Vielfalt von Ideen und Konzepten zu Tage. Es entstehen Überschneidungen zwischen den Kulturen, die in sich von Differenzen gekennzeichnet sind - eine eigene Lebenswelt mit einem außerordentlich innovationsfreundlichen Klima. Harmonisch und angenehm muss dieses Klima keineswegs sein. Auch hier stehen die kulturellen und sozialen Avantgarden Pate für unterschiedlichste Ausprägungen.

Allen gemeinsam ist das Infragestellen und Brechen von Produktkonzepten, von Erwartungen der Kunden und Konkurrenten sowie daraus abgeleiteten Strategieperspektiven. Ein Beispiel dafür ist der spektakuläre Erfolg von Nicolas Hayek. Als er die schrillen bunten Plastikuhren der Marke Swatch auf den Markt brachte, lief das allen Denkmustern zuwider, die man mit der Schweizer Uhrenindustrie verbindet. Billiguhren zu produzieren, widersprach nicht nur dem Selbstbild der Edelmanufakturen, es galt in dem Hochlohnland schlicht als unmöglich. Es ist deshalb fast schon eine Ironie, dass die Swatch-Group mittlerweile mit Uhrenmarken wie Blancpain, Breguet, Longines, Omega und Tissot auch auf dem Markt für hochpreisige Schweizer Uhren eine dominierende Stellung errungen hat.

Analyse und Erzählung

Entscheidend ist es auch, die Sprech- und Denkweisen der Beteiligten zu berücksichtigen; diese können innovationsfördernde Kommunikation unter Umständen lähmen. Ein Übermaß an Analyse kann Unternehmen paralysieren: Verantwortliche sezieren Probleme intensiv. So rechtfertigen sie, die Herausforderung erst gar nicht anzugehen. Abstrakter technischer Fachjargon dient de facto als Bollwerk: "Strukturen", "Prozesse" und "Systeme" bilden den Grundwortschatz - all das sind Ausdrucksformen eines intellektuellen Sicherheitsdenkens, das Innovation und Kreativität unendlich behindert.

Die Avantgarde erzählt und visualisiert die Zukunft, weckt Emotionen und spielt mit ihnen. Die Avantgarde-Bewegungen der bildenden Kunst als politische Gruppen wie die Futuristen, Freundeskreise wie ZEN 49 (eine Gruppe abstrakter Künstler, die im Jahr 1949 gegründet wurde) oder aber beinahe esoterische Zirkel wie die russische Avantgarde-Bewegung - alle suchten ganz bewusst den Widerspruch zur rationalistischen Leistungsorientierung der jeweils aktuellen Gesellschaftsform. Die klassische avantgardistische Technik ist das Erzählen. Trotz aller Zäsuren und Frakturen erlebt das Erzählen als kulturelle Praxis gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Renaissance - auch im wirtschaftlichen Kontext.

Erzählungen eignen sich gut, denn sie sind nicht systematisch, folgen keiner Methode. Innovation in der Avantgarde verbindet so gut wie immer einen radikalen, utopischen und umfassenden Anspruch mit dem Denken und Handeln in konkreten Kontexten. So schafft sie es, in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken, was sich außerhalb des nahe Liegenden und Erwartbaren befand. Erzählungen gewinnen insbesondere bei elektronischen MedienMedien an Bedeutung. Mobilfunknetze werden mit einer SMS-Flut gefüttert, obwohl das jeglichem technischen Verständnis von Nutzerfreundlichkeit widerspricht. Das Internet als Kommunikationsform erfordert ganz neue Formen des Inhalteschöpfens und -vermittelns. Top-Firmen der Branche Medien

Zur Startseite