BEDARFSPROGNOSEN

Lagerkosten auf Talfahrt

28.01.2002
Von Michaela Streimelweger
Für stark saisonabhängige Branchen ist eine blitzschnelle Reaktion auf veränderte Marktsituationen überlebenswichtig. Dem österreichischen Skiproduzenten Fischer soll dabei eine neue Advanced-Planning-Lösung helfen.

WENN DIE HOBBYRENNLÄUFER bei den Ski-Openings im November auf ihren brandneuen Brettern über die frisch verschneiten Pisten talwärts fahren, sind sie für Fischer schon wieder Schnee von gestern. Beim österreichischen Skihersteller beginnt dann bereits die Produktion für die nächste Saison.

Das Geschäft läuft gut. Fischer ist die Nummer zwei auf dem Heimatmarkt, hinter Atomic und vor Head, das zu einer holländischen Holding gehört. 1,315 Millionen Paar Skier hat das Unternehmen im letzten Geschäftsjahrweltweit produziert und damit einen Umsatz von 101Millionen Euro erzielt. Im laufenden Geschäftsjahr, das im Februar endet, sollen es 110 Millionen Euro werden. Die Konkurrenz ist hart: Allein auf dem österreichischen Markt bieten 15 Skimarken mehr als 400 verschiedene Modelle an.

Damit es auch in Zukunft bei den starken Zuwächsen bleibt, muss Fischer nahezu seherische Qualitäten entwickeln. Die meisten Kunden – Sporthändler und Gebietsvertreter– wollen die neuen Skier erst ab Oktobereinlagern, um hohe Lagerkosten zu vermeiden und das Risiko von Fehleinschätzungen gering zu halten. Für die Kunden wäre es am besten, wenn sie ihre Bestellungen erst im August aufgeben könnten. Projektleiter Heinrich Linecker, der das Enterprise Resource Planning bei Fischer leitet, hält das für unmöglich: „Wenn wir dann erst anfingen zu produzieren, stiegen unsere Kostengewaltig. Wir hätten auch einfach nicht die Kapazitäten, in so kurzer Zeit die Nachfrage abzudecken.“

Deshalb müssen die Hersteller immer schon ein Jahr im Voraus erahnen, worauf Wintersportfans in aller Welt im kommenden Jahr abfahren werden. Der Produktionsplan, nach dem Fischer vorgeht, basiert auf Daten der Generalvertretungen. „Wir erstellen unsere Simulationen aufgrund von Erfahrungswerten, eigener Prognosen und der Zahlen aus dem Vorjahr.“ Das ist nicht ganz einfach: Eine Rezession kann die Ergebnisse ebenso negativ beeinflussen wie ausbleibender Schneefall. Ein Rennerfolg hingegen treibt die Zahl der Bestellungen blitzschnell nach oben.

Prognosen veralten schnell

Die Firma Fischer plante daher bislang so kurzfristig wie möglich: Zu Beginn des Produktionsjahres im November werden, basierend auf den Prognosen, erste Modelle für die nächste Saison hergestellt. Die ersten Aufträge gehen im Januarein, die letzten werden Ende Maiangenommen. Während dieser Zeitfließen ständig neue Prognosen in die Produktion mit ein.

Eine neue Advanced PlanningSolution (APS) des amerikanischen Software-Herstellers J.D. Edwards soll Fischer ab Frühjahr 2003 dabei helfen, den Planungsprozess besser in den Griff zu bekommen. „Mit der Lösung stellen wir künftig unseren Jahresproduktionsplan auf“, sagt Linecker. „So können wir früher, schneller und mit weniger Aufwanderkennen, welche Formen, welche Anlagen und wie viel Personal wir brauchen werden.“

In der Vergangenheit war die Erstellung eines Jahresproduktionsplans stets gescheitert. Erster Grund: In starksaisonabhängigen Branchen ändern sich Vorhersagen und Auftragslage außerordentlich schnell. Zweiter Grund: Die bisher eingesetzten Planungswerkzeuge waren nicht miteinander verknüpft. Daher hätte das Unternehmen jede Information einzeln in die verschiedenen Tools eingeben müssen – eine Aufgabe, die kaum zu bewältigen ist. Die Datenmengen hätten zudem die Systeme überfordert.

„Für saisonabhängige Unternehmen kommt es darauf an, möglichst rasch auf Veränderungen reagieren zukönnen“, sagt Rüdiger Weller vom Fraunhofer-Institut Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. „Zuerst wird man daher versuchen, den Informationsfluss Tool-unterstützt zu verbessern.“

Transparenz für alle Mitarbeiter

Bei Fischer soll das neue System dabei helfen, den Ablauf für alle Beteiligten transparenter zu gestalten. Von der Fertigung bis hin zu den Generalvertretungen wird mit APS ein einheitliches Werkzeug zur Verfügung stehen. Auch Lieferanten und Kunden sollen später einen Zugang bekommen und so den Materialbedarf und aktuelle Liefertermine in Echtzeit verfolgen können. Fehl- sowie Überdispositionen können vermieden werden.

Per APS kann Fischer nun den Jahresmaterialbedarf und einen Ressourcenbedarfsplan ermitteln. Dazu wird mit dem Strategic-Network-Optimisation- (SNO-) Modul die gesamte Wertschöpfungskette in einzelnen Schritten modelliert. So lassen sich verschiedene Szenariendarstellen. Spezifische Kundendaten sind in Profilen festgehalten: Sitzt der Abnehmer in den USA, kalkuliert das Unternehmen bis zu drei Wochen Lieferzeit ein, weil die Bestellungen per Schiff ausgeliefert werden.

Ein zweites Modul, das ProductionScheduler Discrete (PSD), erleichtert die Feinplanung von Produktionsressourcen, was bei der Vielfalt an Größen und Formen der zahlreichen Sportartikel unabdingbar ist. Von der optimierten Feinplanung erhofft sich der Skiproduzent eine noch bessere Effizienz.

Linecker ist davon überzeugt, dass sich die Investitionen bezahlt machen: „Durch den Einsatz der neuen Software-Werkzeuge rechnen wir mit knapp 300.000 Euro an Einsparungen pro Jahr.“

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