Gesundheit

Macht die moderne Arbeitswelt krank?

Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilBerater.

Familiäre Unterstützung nimmt ab

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren in Deutschland Familien mit drei oder vier Kindern gang und gäbe. Und wenn der Nachwuchs erwachsen war und selbst eine Familie gründete? Dann geschah dies meist einigermaßen in der Nähe zum Elternhaus - wenn nicht gar am selben Ort. "Entsprechend groß war das familiäre Unterstützungssystem, aber auch der über Jahrzehnte gewachsene Freundeskreis, auf den man sich im Bedarfsfall stützen konnte", betont Bald.

Heute dominieren im großstädtischen Raum die Single-Haushalte - auch weil die (Liebes-)Beziehungen brüchiger und aus Lebenspartnern vielfach Lebensabschnitts-Begleiter wurden. Die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie ist in den Ballungsräumen schon eher die Ausnahme als die Regel. An ihre Stelle sind die Alleinerziehenden mit Kindern und die Patchwork-Familien getreten. Und was wurde aus den Verwandten, auf die man im Bedarfsfall zurückgreifen kann? Die existieren vielfach nicht mehr. Oder sie wohnen hunderte von Kilometern entfernt.

Kleinigkeiten werden zum Problem

Auch dies erhöht den Druck, unter dem Berufstätige heute stehen. Denn wegen der fehlenden Unterstützungssysteme werden "oft schon Kleinigkeiten zu einem StressStress verursachenden Problem", weiß die Management-Beraterin und Coach-Ausbilderin Sabine Prohaska aus Wien. Zum Beispiel das Paket, das auf der Post abgeholt werden muss. Oder der angekündigte Besuch eines Handwerkers. Oder der pädagogische Tag im Kinderhort. Alles zu Stress auf CIO.de

Bernadette Imkamp
Bernadette Imkamp
Foto: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Auch Bernadette Imkamp, verantwortlich für das Gesundheits-Management bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall, ist überzeugt: Die veränderte Arbeitswelt ist nur einer von vielen Faktoren, die dazu führen, dass heute mehr Berufstätige unter einer großen psychischen Anspannung stehen. Deshalb greifen aus ihrer Warte auch alle betrieblichen Work-Life-Balance-Konzepte zu kurz, die ihren Blick nur auf die Arbeitswelt richten. Ihr Ausgangspunkt müsse vielmehr sein: Wie leben die Mitarbeiter heute und mit welchen Anforderungen sind sie aufgrund ihrer Lebenssituation konfrontiert?

Dasselbe gilt für die Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch sie sind gut und wichtig. Doch auch sie greifen nach Einschätzung von Joachim Schönberger, Präventionsexperte bei der Personalberatung Conciliat, Stuttgart, "oft zu kurz, weil sie den Fokus primär auf Familien oder Alleinerziehende mit Kindern richten". Dabei stehen Singles oft sogar "noch stärker unter Strom" als stolze Väter und Mütter, weil sie "mehr Zeit in den Aufbau und in die Pflege eines Freundes- und Bekanntenkreis investieren müssen, der sie emotional trägt".

Zur Startseite