Die wöchentliche CIO-Kolumne

Man sieht sich

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Diese Woche ist Cebit, und wenn Cebit ist, dann muss es in der Wochenkolumne des deutschen IT-Wirtschaftsmagazins um die Cebit gehen. Schließlich sind fast alle in Hannover, und die, die nicht dort sind, fühlen sich doch zumindest bemüßigt, das zu erklären. Denn der seit mittlerweile 18 Jahren stattfindende IT-Termin in Hannover gehört irgendwie hinein in die Frühjahrsplanung von Managern, nicht nur aus der IT-Industrie, sondern auch aus den IT-Abteilungen aller Branchen. Man will sich einfach sehen, und in Hannover sieht man sich.

Was jedes Jahr wieder auffällt: Die am heftigsten über die Messe herziehen, sind offenbar am häufigsten dort gewesen. Sonst könnten sie nicht so glaubwürdig viele Details zum Besten geben: schlechtes Fingerfood auf Standparties, Apothekenpreise in den Kneipen zwischen Empelde und Altwarmbüchen, lange Warteschlangen am Taxistand, Sardinentouren in den Üstra-Wagen der Linien 8 und 19. Und je blumiger die Schilderung ausfällt, desto sicherer kann man sein, dass die Erzähler dieses Jahr wieder dabei sein werden. - A propos Üstra: Ob wohl die seit Jahren gleiche Stimme vom Band, die den Fahrgästen am Endbahnhof Messe Nord im Namen von "Hannover Fair" weltläufig einen "successful day" wünscht, auch dieses Jahr so unerschütterlich optimistisch klingt wie immer?

Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Cebit-Kritiker beziehen sich nicht nur auf das Drumherum. Das Messekonzept, die Idee der Großmesse überhaupt, steht zur Diskussion. Ohne dass man die Gedankenwelt der Messemacher gleich im "15. Jahrhundert" ansiedelt, wie es letztes Jahr zu hören war (das wäre auch unzutreffend, weil die Organisation mittlerweile viel besser klappt und Präsentationen wie Infrastruktur auf höchstem technischen Niveau sind): Die Cebit, wie wir sie kennen, kann es nicht mehr lange geben. Sie ist out.

Out ist die Ansammlung von Ausstellern, die nur notdürftig nach Technologiebereichen sortiert sind. Out sind ausschließlich an Technologie anstatt an Lösungen orientierte Firmenpräsentationen - obwohl den Ausstellern kaum etwas anderes übrig bleibt, denn ein Rahmen für branchennahe Lösungspräsentationen existiert nicht. Das, wonach alle CIOs suchen - und was sie zunehmend auf Kongresse und Workshops finden -, nämlich Best-Practice-Präsentationen, hat auf der Cebit keinen Platz, oder es geht im Messetrubel unter. Das ist der Punkt, an dem die Messemacher und Aussteller ansetzen müssen.

Bemerkenswert ist allerdings: Obwohl sie seit Jahren konzeptionell krankt, schafft sich die Cebit ihren(wenngleich zahlenmäßig sinkenden) Erfolg immer wieder selbst. Trotz aller Kritik, trotz sinkender Aussteller- und Besucherzahlen gibt es auf längere Sicht keine Veranstaltung von nennenswerter Größe, die dem Provinz-Meeting als Instrument der Selbstvergewisserung für die IT-Community und als fixer Referenzpunkt im Jahreskalender gefährlich werden könnte. Offenbar strahlt der ineffiziente Massenauftrieb einen Glanz aus, der zwar angestaubt ist, der aber immer wieder im März hinreichend Strahlkraft besitzt, um Hunderttausende anzulocken.

Natürlich auch wieder, wie in den letzten 15 Jahren, den Kolumnisten - man sieht sich.

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