Krisenmanagement: Positive Gerüchte bewirken mehr als jede Mitteilung

"Manager können lernen, authentisch zu sein und Fehler zu vermeiden"

23.03.2009
Von Karsten Langer

Wie soll ein Manager das bewerkstelligen? Der hat einen 16-Stunden-Tag und wird danach kaum seine Arbeiter auf Schicht besuchen oder mit seiner Sekretärin essen gehen, um sich ein großes Rollenreichtum anzueignen.

Würden tägliche Lernchancen stärker genutzt, ist es leichter, als man denkt. Jeder Manager wird seiner Sekretärin morgens auf eine bestimmte Weise "Guten Morgen" sagen, dann kommt der erste Bereichsleiter rein, und mit dem muss er schon ganz anders umgehen. Dann ruft der Kundenbereich an, der mit dem Manager Golf spielen will, da ist wieder eine ganz andere Tonart gefordert. Reflektiert er stärker diese Rollen und kennt Referenzsysteme zur Bewertung, wird er jedes Mal besser.

Qualität der Interpretationskultur ist entscheidend

Gibt es eine Haupteigenschaft, die ein Manager in Krisenzeiten in all diesen Rollen haben muss?

Auf jeden Fall Selbstsicherheit - unsichere Personen dienen nicht der Sache. Selbstsicherheit in Krisenzeiten ist vor allem die Fähigkeit, anderen das eigene Unbehagen nicht zeigen zu müssen. Früher hat man gesagt: "Reiß' dich zusammen!" Das meint etwas sehr Ähnliches.

Ist es unehrlich, sich zusammenzureißen?

Unehrlichkeit beginnt, wenn bewusst die Unwahrheit gesagt wird. Insbesondere ist sie verwerflich, wenn dadurch Schaden entsteht. Es ist nicht unehrlich, wenn man sich nicht gehen lässt. Ich glaube, dass man Führungskräfte, die in dieser Zeit Orientierung - auch gegen eigene Unsicherheit - bieten, nicht hoch genug einschätzen kann. Was wir jetzt brauchen, sind charismatische Visionäre, die es schaffen, als Menschen - nicht als Datenverkünder - Vertrauen aufzubauen. Faktengestützter Verkauf von Prognosen, Prophezeiungen und Versprechungen schaffen kein Vertrauen. Um Mitarbeiter identifiziert hinter die Unternehmensziele zu stellen, ist die Qualität der Interpretationskultur entscheidend.

Reicht Charisma, um das zerstörte Vertrauen in die Manager wiederherzustellen?

Charisma ist persönliche Ausstrahlung, der andere freiwillig und respektvoll Gefolgschaft leisten. Dabei ist das Vertrauen eine Frage des sozialen Glaubens. Folglich müssen sich Manager heute die Frage stellen: Wer glaubt mir eigentlich noch? Wer hält bei mir wesentliche Dinge für wahr, ohne dass ich sie beweise oder belege, sondern nur aufgrund der Tatsache, dass ich sie sage? Diese Qualitäten sind in den vergangenen Jahren verwahrlost und verschludert worden, die müssen dringend wieder aufgebaut werden.

Was war den Führungskräften stattdessen wichtig?

Die funktionale Verwendbarkeit des Einzelnen für finanzielle Ziele. Der hat sich über Jahre nur über seine materiellen Sicherheiten definiert, über seine Jacht, sein Haus, sein Auto und seine Ersparnisse. Jetzt fallen dicke Tränen hinter seidenen Gardinen, bei Einkommensverhältnissen um die 500.000 Euro pro Jahr und gleichzeitigem 50-Prozent-Ersparnisverlust durch die Finanzkrise. Diese Menschen stehen heute in Beziehungskrisen und haben Angst, ihren Job zu verlieren, haben Existenzängste, Überforderungsängste, Verlustängste, Versagensängste, Trennungsängste. Die Sicherheit über Besitz ist gefährdeter denn je. Ängste entstehen vor allem, wenn soziale Lebensqualitäten vernachlässigt werden. Vielen wäre wohl am ehesten mit einem Therapeuten geholfen.

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