Strategien


Digitale Transformation

McKinsey-Plädoyer für Enterprise Architects

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
CIOs und CEOs sollten die Rolle von Enterprise-Architekten stärken. Dadurch ließen sich Schäden abwenden, die überstürzte Digitalisierung bereits in Firmen anrichtet.
  • Insgesamt 70 Prozent der CEOs erwarten rasche Digitalisierungsgewinne
  • Qualität der Dokumentation von Geschäftsprozessen sinkt in digital aktiven Firmen
  • Es drohen Verluste bei der Reaktionsfähigkeit auf dem Markt
  • McKinsey rät zu Performance-Messungen und mehr Verantwortlichkeit
Die Grafik zeigt, dass sich EA-Profis nicht in allererster Linie durch Geld motivieren lassen.
Die Grafik zeigt, dass sich EA-Profis nicht in allererster Linie durch Geld motivieren lassen.
Foto: McKinsey

In zwei von fünf Unternehmen wissen die Business-Verantwortlichen nicht, was eigentlich die Enterprise Architects (EA) im Hause so machen. Das geht aus einer McKinsey-Befragung hervor - und lässt bei den Beratern die Alarmglocken schrillen. Denn McKinsey geht davon aus, dass der EA-Gruppe eine entscheidende Rolle beim Meistern der Herausforderung digitale Transformation zukommt. In Wirklichkeit aber sitzen die Enterprise-Architekten oftmals unbeachtet in den Hinterzimmern der IT-Abteilung. Und die Firma weiß nicht, dass sie sich in gefährliche Gefilde begibt, durch die sie just von den EA sicher geleitet werden könnte.

Ansehen der Enterprise Architects stärken

"Unserer Ansicht kann die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs der digitalen Transformation gesteigert werden, indem CEOs und CIOs das Ansehen ihrer EA-Abteilungen innerhalb ihres Unternehmens heben und die geschäftlichen sowie zwischenmenschlichen Fähigkeiten ihrer Enterprise Architects entwickeln", schreiben in einem Artikel auf McKinsey.com Oliver Bossert und Jürgen Laartz, die in den Büros Frankfurt am Main und Berlin arbeiten.

Basis der Ausführungen von Bossert und Laartz ist eine internationale Studie von McKinsey in Zusammenarbeit mit der Henley Business School zum Thema Enterprise Architecture. Konzipiert ist diese Studie als fortlaufende Befragung von mehr als 100 CIOs, führenden Enterprise-Architekten und anderen IT-Verantwortlichen. Der Artikel von Bossert und Laartz greift die allerersten Ergebnisse auf, die aus dieser Konstruktion gewonnen wurden.

CEOs erwarten höhere Gewinne durch Digitalisierung

Die Relevanz dieser Resultate ergibt sich wiederum auch aus der größer angelegten Studie McKinsey Global Survey. Diese zeigt, dass die CEOs das Potenzial der digitalen Transformation begriffen haben. 70 Prozent der Firmenchefs erwarten, dass digitale Trends und Initiativen in den kommenden drei Jahren für gesteigerte Gewinne und Profitabilität sorgen. Sie gehen davon aus, dass ihr Unternehmen effizienter und agiler wird und innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten kann.

Überstürzte digitale Transformation

An dieser Stelle warnen Bossert und Laartz vor den Risiken allzu forscher Aktivitäten: "Traditionelle Unternehmen wollen sich benehmen wie Startups, aber normalerweise fehlt es ihnen an den technologischen Infrastrukturen und Betriebsmodellen, um mit von Anfang an digitalen Firmen Schritt halten zu können." Die Risiken: Die IT-Systeme geraten immer komplizierter, weil ohne langfristige Roadmap aus kurzfristigen Erwägungen immer mehr Features und Patches eingebaut werden.

Qualität der Dokumentation von Geschäftsprozessen sinkt

Hier kommt erneut die Studie zu Enterprise Architecture ins Spiel. Es gilt ja als chic, wenn Unternehmen voll auf die digitale Karte setzen. McKinsey zeigt aber, dass mit hoher digitaler Aktivität handfeste Probleme auftauchen. Im Vergleich zu zurückhaltenden Firmen steigt im Durchschnitt die Zahl der Punkt-zu-Punkt-Verbindungen um 43 Prozent. Die Qualität der Dokumentation von Geschäftsprozessen sinkt zudem merklich. Überdies können Services zu 35 Prozent seltener wiederverwendet werden.

Nach Einschätzung der Autoren verschärft sich das Problem, wenn Unternehmen ihre pilotierten Programme und Anwendungen verstetigen und auf sämtliche Funktionen und Geschäftseinheiten ausdehnen. "In diesem Szenario müssen die IT-Abteilungen vermutliche jede Menge Erneuerung und Reengineering von Systemen und Anwendungen betreiben, um überhaupt die grundlegendsten digitalen Aktivitäten zu ermöglichen", so Bossert und Laartz. "Die Unternehmen kommen wahrscheinlich langsamer auf den Markt mit ihren neuen Produkten und Services und büßen Reaktionsfähigkeit auf verändertes Kundenverhalten ein."

Enterprise Architects können Komplexität senken

Das alles ist vor allem als Plädoyer für eine Stärkung der EA-Gruppen in den Firmen zu lesen. Denn diese können eine zentrale Rolle in der Reduzierung jener Komplexität spielen, die mit der digitalen Transformation einhergeht. Und sie können helfen, die genannten Fallstricke zu umgehen.

Im Rückgriff auf die Ergebnisse der eigenen Studien betont McKinsey, dass eine direkte Beteiligung der EA-Gruppe in digitale Transformationsprojekte sowohl die Dokumentation als auch die Kommunikation zwischen Business und IT signifikant verbessert. Den Organisationen gelingt es besser, die erwarteten Vorteile zu realisieren, und sie gewinnen benötigte Freiräume für sorgfältige Planung.

Enterprise Architects können beispielsweise bei der Unterscheidung darüber helfen, welche Applikationen geschäftskritisch und welche eigentlich nur schmückendes Beiwerk sind. Und sie können auf Dopplungen in verschiedenen Abteilungen hinweisen. In der Realität - so beklagt McKinsey - interagieren EA-Gruppen aber oftmals mehr mit Zulieferern als mit internen Entscheidern und C-Level-Managern.

Zwei Ratschläge für CEOs und CIOs

Aus McKinsey-Sicht ist es vor diesem Hintergrund geboten, die Rolle der EA zu stärken. CEOs und CIOs sollten dafür vor allem zwei Dinge tun, so die Berater:

  • Zum einen sollte den Enterprise Architects eine größere Verantwortlichkeit übertragen werden. Und zwar für "Big-Picture Decisions", etwa im Bewilligungsprozess von Veränderungen der technologischen Landschaft.

  • Zum anderen rät McKinsey zur Performance-Messung. In diesem speziellen Fall bedeutet das, dass die EA-Gruppe den Abteilungen routinemäßig die mit Entscheidungen verbundenen "technologischen Kosten" beziffern sollte.

Interessante Aufgaben motivieren mehr als Geld

McKinsey geht davon aus, dass diese beiden Maßnahmen noch einen weiteren positiven Effekt zeitigen würden: Wahrscheinlich gelänge es Unternehmen, die die EA-Gruppe auf diese Weise aufwerten, talentierteres Personal zu rekrutieren und ihre vorhandenen Mitarbeiter besser zu motivieren. Denn nur 43 Prozent der befragten EA-Profis nennen mehr Geld als für sie entscheidenden Anreiz. 90 Prozent hingegen führen interessante Herausforderungen an, 71 Prozent die Anerkennung als wertvoller Faktor im Unternehmen.

Welche Skills Enterprise Architects brauchen

Verantwortliche für EA-Management benötigen nach Einschätzung von Bossert und Laartz ein besonderes Profil: eine Kombination aus vertieften Einblicken in Geschäftsstrategie und Expertise in IT-Trends und -Technologien, Integrationsmustern, Schritten bei Geschäftsprozessen und den Abläufen in einer geschlossenen IT-Umwelt. Diese Manager sollten laut McKinsey auch gute Skills in Kommunikation und Marketing haben und gewissermaßen zu internen Botschaftern für EA werden.

"Wegen dieser Vielfalt an benötigten Skills sollten die CIOs bei der Rekrutierung über den üblichen Talent-Pool hinaus blicken", so Bossert und Laartz. In Frage kämen sowohl Leute mit besonderen akademischen oder geschäftlichen Meriten als auch klassische Technologie-Spezialisten. In jedem Fall ist es demnach ratsam, bei der digitalen Transformation die EA stärker ins Zentrum zu rücken.

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