Strategien


Lizenzen und Cloud

Microsoft verspielt sein Vertrauen bei CIOs

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

CIO.de: Wie hoch ist denn mittlerweile Ihr Aufwand für das Lizenz-Management?

Popp: Allein das Zählen verursacht einen hohen Aufwand. Wir investieren pro Jahr 60.000 Euro plus ein Personenjahr über mehrere Mitarbeiter verteilt für die Führung der Software-Assets.

Schott: Zentral kostet mich das Lizenz-ManagementLizenz-Management für Microsoft eine komplette Vollzeitstelle. Dazu kommen Aufwendungen in mehr als 50 Ländern, die von verschiedenen Mitarbeitern erbracht werden und in Summe bei 500 bis 600 Manntagen pro Jahr liegen dürften. Das reicht Microsoft aber scheinbar nicht: In dem Resümee zu einer von Microsoft beauftragten Reifegradanalyse hinsichtlich unseres Lizenzmanagements wurde die "knappe" Kapazität auch noch bemängelt. Alles zu Lizenzmanagement auf CIO.de

CIO.de: Herr Ehbauer, warum konnten Sie das Audit nicht abwenden? Microsoft galt doch immer als fairer Verhandlungspartner.

Ehbauer: Die Lizenzverhandlungen haben sich spürbar verschärft. Meine ehemaligen Account-Partner waren immer bereit, Wege zu gehen, die für beide Seiten fair waren. Denn mir ist schon klar: Ich kann nicht Lösungen an 900 Filialen schicken ohne Lizenz dafür. Aber ich zahle nicht Tausende von Euro, um ein PDF zu verschicken. Der Business-Case muss stimmen. Sonst mache ich das anders. So konnte ich immer verhandeln. Dann kam ein neuer Ansprechpartner. Und der ist von Haus aus davon ausgegangen, wir seien nicht sauber lizenziert. Auf die Frage, wie er darauf komme, hat er geantwortet: "Weil kein Unternehmen sauber lizenziert ist."

Schott: Diese Position ist sogar rechtlich fragwürdig. In einem Forderungskatalog gegenüber Lizenzgebern schreibt ein Rechtsanwalt des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik: "Grundsätzlich sind anlasslose Audits abzulehnen. Es besteht kein Rechtsgrund dafür."

Ehbauer: Wenn ich mich umhöre, erzählen viele, dass ihr Account-Partner anders präpariert ist. Daher komme ich zu dem Schluss: Es gab einen Umschwung. Microsoft stellt Unternehmen unter Generalverdacht.

Popp: Ich denke, wir haben für Microsoft über viele Jahre genügend Aufbauleistung und Beta-Testing gemacht, zig Mal ein Auge zugedrückt, wenn ein fehlerhaftes Systemverhalten uns Ärger und Geld gekostet hat und wir haben außerdem Tausende junge Leute an die Produkte herangeführt. Da dürfen wir im geschäftlichen Umgang entsprechenden Respekt und Fairness erwarten. Das scheint aber derzeit in Vergessenheit geraten zu sein.

CIO.de: Haben Sie den Eindruck, Microsoft nutzt sein Monopol im Bereich Office-Lösungen und Client-Betriebssysteme aus?

Popp: Einseitige Vertragsänderungen kann man nur aus einer Monopolstellung heraus durchsetzen. Wir fühlen uns jedenfalls derzeit nicht als gleichberechtigte Partner. Damit wird natürlich auch der hausinterne Druck größer, Alternativprodukte zu fördern und anzuwenden. Wir haben ja schon immer eine große Linux-Gemeinde. Die bekommt jetzt natürlich massiv Oberwasser. Und ich kann zum Thema Preisgestaltung keine verlässlichen Vorhersagen mehr machen. Damit ist unser Vorstand vollkommen unzufrieden. Planungssicherheit ist eines der wichtigsten Kriterien für die Einschätzung der Seriosität eines Anbieters. Die ist jetzt völlig verloren gegangen.

Schott: Ich führe immer wieder Diskussionen mit meinem Management über die extrem hohen Ebitda-Spannen von Microsoft. Letztendlich spiegelt das Ebitda der Anbieter die Monopolisierung des Marktes wider.

CIO.de: Ihre Kritik gilt aber nicht für den Server- oder im Datenbankbereich?

Ehbauer: Im Server- oder im Datenbankbereich ist das Preis-Leistungs-Verhältnis von Microsoft fairer, etwa im Vergleich zu Linux-Versionen. Die Produkte sind auch stabil.

Schott: Wir lösen jetzt unsere Management-Lösung von HPHP durch Microsoft System Center ab. Aber das sind im Vergleich ein paar 100.000 Euro über Jahre hinweg zu Millionen für Office und Windows pro Jahr. Alles zu HP auf CIO.de

Microsofts Cloud-Strategie ist eine Waffe der Lizenzpolitik

CIO.de: Microsofts neue Leitstrategie lautet: Mobile first - Cloud first. Was bedeutet das für Ihre Investitionen?

Ehbauer: Aus Sicht der Lizenzpolitik ist diese Cloud-Strategie sogar eine Waffe. Früher war man Microsoft-abhängig, aber nicht versionsabhängig. Wir haben etwa eine Office-Version komplett ausgelassen und so Hunderttausende Euro gespart. Im Mietmodell ist das nicht möglich.

Erich Ehbauer, CIO bei Apollo-Optik: „Wir hoffen, dass Microsoft die Lage richtig erkennt und die Politik eines fairen Miteinanders wieder aufnimmt.“
Erich Ehbauer, CIO bei Apollo-Optik: „Wir hoffen, dass Microsoft die Lage richtig erkennt und die Politik eines fairen Miteinanders wieder aufnimmt.“
Foto: Joachim Benner

Schott: Wir haben das ebenso gemacht und in der Krise Ende 2008 das Office aus dem Enterprise Agreement herausgenommen, weil wir nicht alle drei Jahre ein neues Office wollten. So werden wir Office 2007 rund acht Jahre lang einsetzen und damit mehrere Millionen Euro sparen. Daneben wurde ein erheblicher Schulungsaufwand bei den Mitarbeitern eingespart.

Popp: Wir haben das Enterprise Agreement für alle Client-Anwendungen, weil wir dann frei die jeweils passenden Versionen installieren können und es die Lizenzierung vereinfacht - aber nicht um der neuesten Version willen. Im Gegenteil. Bei uns ist Windows 8 derzeit gar nicht gestattet. Es ist ein bei uns unerprobtes Betriebssystem, das bei der jetzigen Sicherheits- und Kompatibilitätssituation nur zusätzlichen Aufwand erzeugt. Und der funktionelle Zuwachs, der uns ein besseres Geschäft erlaubt, hat - bei Licht betrachtet - bereits mit Windows XP aufgehört. Ab da ist nichts Substanzielles mehr hinzugekommen.

Ehbauer: Es gibt wenige Bereiche wie das Marketing, die neue Funktionen sinnvoll einsetzen können. Aber der klassische kaufmännische Bereich benötigt sie nicht. Für diese Bereiche reicht das halbe Entwicklungstempo. Deshalb haben wir nie ein Enterprise Agreement abgeschlossen, weil die Zyklen nicht zu uns passen. Mit der Cloud würde man die Versionssprünge mitmachen müssen - und natürlich Monat für Monat bezahlen. Dabei zwingt uns eine Cloud nur die neuen Funktionen auf.

Popp: Und laufen natürlich Gefahr, dass damit Preis­politik betrieben wird. Könnte sein, dass der Preismittelfristig so volatil wie der Ölpreis wird. Oder man macht es so wie die Social-Media-Anbieter und fährt die Funktionen schrittweise herunter. Dann führt man Premium-Stufen ein, die man sich teuer bezahlen lässt.

Zur Startseite