Privatleben leidet

Nicht mehr Krankheitstage durch Digitalisierung

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Wer ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten hat, meistert die Digitalisierung besser. Das belegt eine Studie der Barmer GEK und der Uni St. Gallen.
  • 65 Prozent der Befragten müssen jederzeit am regulären Arbeitsplatz sitzen
  • Der Krankenstand steigt nicht durch Digitalisierung
  • Insgesamt jeder Vierte (25 Prozent) sagt, die heutigen Arbeitsanforderungen beeinträchtigten sein Privat- und Familienleben
Eine schlechte Beziehung zum Chef steigert den Stress durch Digitalisierung, so eine Studie der Barmer GEK.
Eine schlechte Beziehung zum Chef steigert den Stress durch Digitalisierung, so eine Studie der Barmer GEK.
Foto: bikeriderlondon - shutterstock.com

Unter dem Titel "Auswirkungen der DigitalisierungDigitalisierung der Arbeit auf die GesundheitGesundheit von Beschäftigen" hat die Krankenkasse Barmer GEK mehr als 8000 Bundesbürger befragt. Die Ergebnisse sind widersprüchlich: So schätzen die Befragten die Freiheit mobilen Arbeitens, sprechen aber auch von negativen Auswirkungen auf ihr Familienleben. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Top-Firmen der Branche Gesundheit

Zu den Studienteilnehmern zählen Angestellte ebenso wie Freiberufler und Beamte. Studienleiter ist Professor Stephan Böhm von der Universität St. Gallen, Unterstützer sind die Telekom sowie die Bild-Zeitung.

Home Office noch nicht durchgesetzt

Demnach hat sich das sogenannte Home Office noch nicht etabliert. Fast zwei von drei Befragten (65 Prozent) erklären, nicht außerhalb des regulären Arbeitsplatzes arbeiten zu dürfen. Die anderen müssen sich zumindest teilweise an Einschränkungen halten: Nur 17 Prozent können den Arbeitsort an bis zu 20 Stunden im Monat frei wählen.

Gleichzeitig ist mehr als jeder Zweite (55 Prozent) davon überzeugt, dass "Technologie dem Menschen mehr Freiheit gibt, dort zu leben und zu arbeiten, wo sie wollen". 53 Prozent unterschreiben auch, dass die Technologie sie in ihrem persönlichen Leben produktiver macht. In beiden Fragen zeigen sich jüngere Studienteilnehmer (bis 39 Jahre) optimistischer.

Junge Mitarbeiter sorgen sich stärker

Allerdings äußern jüngere Befragte häufiger Sorgen. Gut jeder Fünfte (21 Prozent) von ihnen sieht sich durch die Digitalisierung gezwungen, schneller zu arbeiten. Unter den Älteren (über 50 Jahre) sagen das nur neun Prozent. 16 Prozent der Jüngeren klagen, sie müssten mehr Arbeit verrichten, als sie können. Von den Älteren sagen das nur sechs Prozent.

Noch ein Datum zu den ganz Jungen: Elf Prozent der 18- bis 29-Jährigen fühlen sich bedroht, wenn Kollegen technologisch besser versiert sind als sie selbst. Unter den Älteren erklären das lediglich drei Prozent.

Digitalisierung führt nicht zu mehr Krankheitsausfällen

Ein weiteres Ergebnis: Die Digitalisierung führt nicht zu mehr Krankheitsausfällen. "Zwischen der Anzahl der Krankentage und dem Grad der Digitalisierung von Unternehmen besteht nur ein geringer Zusammenhang", schreiben die Studienautoren.

Gleichzeitig sieht Stephan Böhm Führungskräfte in der Verantwortung. "Eine gute Beziehung zur Führungskraft gibt Mitarbeitern mehr Sicherheit im Umgang mit der Digitalisierung", erklärt der Studienleiter. Er belegt das anhand von zwei Punkten.

  • Den ersten nennt er "Information Overload". Insgesamt 16 Prozent aller Befragten klagen über Informationsflut - unter denen, die ihr Verhältnis zum Chef als schlecht beschreiben, sind es mit 26 Prozent deutlich mehr.

  • Punkt zwei: Zwölf Prozent aller Befragten fühlen sich überfordert, weil die Technologie es zu vielen Menschen ermöglicht, auf ihre Zeit zuzugreifen. Von denen mit einer schlechten Beziehung zum Chef sagen das 27 Prozent.

Insgesamt aber erklären fast sieben von zehn Studienteilnehmern (69 Prozent), sie kämen mit ihrem Vorgesetzen gut aus. 64 Prozent fühlen sich insgesamt in ihrer Arbeitsumgebung wohl.

Digitalisierung beeinträchtigt Privatleben

Zu den negativen Auswirkungen der Digitalisierung: Insgesamt jeder Vierte (25 Prozent) sagt, die heutigen Arbeitsanforderungen beeinträchtigten sein Privat- und Familienleben. Dieser Anteil steigt auf 39 Prozent, wenn man die betrachtet, die nach eigenen Worten unter der Digitalisierung leiden.

Außerdem beklagen ebenfalls 25 Prozent, aufgrund der Arbeitsanforderungen würden zu Hause Dinge liegen bleiben. 22 Prozent fällt es schwer, "familiäre Pflichten zu erfüllen".

Die Studie sieht hier einen Zusammenhang zum Thema der ständigen Erreichbarkeit. Fast jeder zweite Befragte (46 Prozent) setzt sich auch in der Freizeit an den Computer oder nimmt das Telefon zur Hand, um Dienstliches zu erledigen. Unter ihnen sind es nur 38 Prozent, die die Zeit für solche Tätigkeiten bewusst begrenzen. Hier seien die Erwerbstätigen selbst gefordert, so Böhm.

Stressprävention oder Ernährungsberatung fördern

Gleichzeitig appelliert der Studienleiter an Unternehmen, mehr für die Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeiter zu tun. Kurse zur Stressprävention oder Ernährungsberatung böten solche Möglichkeiten. Andererseits: Nur jeder zweite Befragte nutzt solche Angebote.

Mehr Technik-Schulungen gewünscht

In Sachen Technik-Wissen melden deutsche Arbeitnehmer Bedarf an: Knapp jeder Fünfte (18 Prozent) wünscht sich Schulungen für neue Technologien oder IT-Systeme. Unter den Befragten aus Industrie und Handwerk sind es mit 24 Prozent überdurchschnittlich viele.

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