Management

Nur schlechte Manager nehmen sich allzu wichtig

22.10.2013
Von Ferdinand Knauß

"In der Ausbildung der wirtschaftlichen Elite fehlt die Philosophie"

Kann man von der Beschäftigung mit Philosophie auch ganz profan profitieren? Gewinnt ein Manager, der Kant oder Derrida gelesen hat, gegenüber seinen Konkurrenten einen intellektuellen Vorteil?

Helmut Geiselhart: Ich glaube schon, dass jemand, der über sich selbst nachdenkt und Klarheit gewinnt, jemand, der Situationen differenzierter reflektieren kann, auch geschäftlich erfolgreicher wird. Ein denkender Mensch kann auch andere Menschen besser verstehen, weil er sich vorstellen kann, was andere Menschen denken. Wer Kant oder die Erkenntnistheoretiker gelesen hat, wird sich auf jeden Fall nicht so leicht durch das Herrschaftsgebaren anderer beeindrucken lassen. Er weiß, dass der andere nicht im Besitz der Wahrheit ist. Er weiß, wenn er mit Machtansprüchen konfrontiert ist, zu unterscheiden zwischen Blockiermacht und Gestaltungsmacht, zwischen Organisationsmacht und persönlicher Macht.

Wie sieht es um die philosophische Bildung unserer wirtschaftlichen Eliten aus? Können Sie bei den Leuten, die bei Ihnen Seminare buchen, Kenntnisse voraussetzen?

Helmut Geiselhart: Nur wenige haben eine gewisse philosophische Vorbildung. Aber was ich feststellen kann ist ein großes Interesse.

Fehlt die Philosophie in der akademischen Ausbildung der wirtschaftlichen Elite?

Helmut Geiselhart: Ja, sehr. Denken Sie an die aktuelle Krise. Die ganze Finanzbranche ist total rationalisiert und durchmathematisiert. Und das liegt auch an der Ausbildung der Ökonomen, die viel zu einseitig ist. Da wird einfach zu viel verdrängt. Und das schlägt dann völlig unkontrolliert zurück. Kein Wunder, dass sich ausgerechnet in dieser Branche die ungebremste Gier durchgesetzt hat.

Sie widmen dem Philosophen Emmanuel Levinas ein Kapitel, der die radikale Hinwendung zur Sorge um andere forderte. Gibt es Manager, die so handeln?

Helmut Geiselhart: Es gibt sie immer mal wieder. Denken Sie an den Film "Schindlers Liste". Jener Schindler war ein Manager, der sich von völliger Selbstbezogenheit zur entschiedenen Hingabe an andere Menschen verändert hat. Es gibt auch heute Manager, die sich richtig für andere einsetzen, die sich nicht schonen und denen es auch nicht mehr nur um Geld oder Macht geht. Klaus Liesen, der frühere Vorstandschef der Ruhrgas AG, ist für mich so jemand. Eine eindrucksvolle Führungspersönlichkeit. Während des Kalten Krieges leitete er das Erdgas-Röhren-Geschäft mit der damaligen Sowjetunion in die Wege, die er dadurch an den Westen band. Liesen musste das in Washington persönlich verantworten. Das war riskant und erforderte persönlichen Einsatz.

Gibt es Philosophen, die Sie jungen Managern als persönliches Vorbild empfehlen würden?

Helmut Geiselhart: Vielleicht Karl Popper. Seine Maxime war es, sich zeitlebens auf neue Erfahrungen einzulassen. Er hat das auch praktiziert. Mit über 80 Jahren hat er noch einen Segelfliegerschein gemacht. Und er ist nicht abgestürzt. Seine Maximen waren: Nicht rechthaben wollen, sondern nach der besseren Lösung suchen. Nicht andere dominieren wollen, sondern kritikfähig bleiben. Nicht alles umkrempeln mit radikalen Maßnahmen, sondern in kleinen, überschaubaren Schritten verändern und bescheiden bleiben, weil wir ja alle nicht im Besitz der Wahrheit sind.

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