Manager-Pannen

"Öffentliches Tratschen ist tabu"

07.10.2015
Von Kristin Schmidt

Jeder Fehltritt wird dokumentiert

Selbsterkenntnis also der erste Schritt zur Besserung?

Kirchner: Richtig. Das Problem dabei ist bei Top-ManagernTop-Managern aber, dass sie kaum Rückmeldung zur ihrer Person oder ihrem Verhalten bekommen, denn einen Vorgesetzten gibt es nicht. Und die Mitarbeiter trauen sich nicht, zu kritisieren. Deshalb ist Reflexion von außen nötig, um den Erkenntnisprozess erstmal in Gang zu setzen. Dazu sind spezielle Coachings geeignet, denn durch die Medien werden Manager zwar auf ihren Fehltritt aufmerksam gemacht. Zum Reflektieren brauchen sie aber einen anderen Sparringspartner. Alles zu Karriere auf CIO.de

Sie haben gerade schon die Medien erwähnt. Ist die Wahrscheinlichkeit, in ein Fettnäpfchen zu treten, größer geworden in einer Zeit, in der ständig eine Kamera mitläuft und Menschen mit ihren Smartphones alles festhalten, was ihnen vor die Linse kommt?

Breyer-Mayländer: Nein, aber die Fehltritte werden besser dokumentiert. Wenn ein Chef zum Beispiel die Kritik bei einer Mitarbeiterversammlung einfach abgetan oder gar aggressiv darauf reagiert hat, dann war das auch früher schon verheerend. Der Unterschied ist, dass heute irgendjemand dieses Verhalten mit seinem Handy festhält und den Mitschnitt eventuell ins Netz stellt. Die Auswirkungen des Fettnäpfchens können also größer sein. Deshalb müssen Manager zum Beispiel auch mit Privatem noch viel vorsichtiger umgehen als früher.

Gar nicht so einfach in Zeiten, in denen von Managern erwartet wird, dass sie twittern und auf Facebook aktiv sind, weil sie sonst vielleicht als unnahbar gelten.

Breyer-Mayländer: Das war früher schon ähnlich - nur auf einer anderen Ebene. Wenn ich meinen Mitarbeitern nichts Privates erzählt habe, haben sie kein Vertrauen zu mir aufbauen können. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings muss diese Offenheit sehr dosiert sein, da sonst schon die nächsten Fettnäpfchen lauern. Ein Staatssekretär des Landes Baden-Württemberg ist zum Beispiel dank seines Facebook-Accounts entlassen worden. Er hatte seine Politikkollegen dort zum Beispiel als "FDPisser" bezeichnet. Er habe gedacht, Facebook sei Privatsache. Weit gefehlt.

Das heißt, Politiker und Manager sollten die sozialen Medien lieber meiden?

Breyer-Mayländer: Nein, aber sie sollten sorgfältig damit umgehen. Mir ist kürzlich ein Profil eines Aufsichtsratsvorsitzenden aufgefallen, der wenig preis gibt und seinen Account wohl vor allem nutzt, um mit seinen Töchtern in den USA zu kommunizieren. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Aber Dinge wie der Beziehungsstatus oder Äußerungen, die nichts mit dem eigenen Geschäft zu tun haben, sind für Manager tabu.

Kirchner: Stefan Raab findet da eine gute Balance. Er gibt kaum etwas aus seinem Privatleben preis, aber durch seine Show "Schlag den Raab" hat trotzdem jeder Zuschauer das Gefühl, ihn zu kennen. Wir wissen, was er alles kann und worin er sich auskennt.

Das Internet ist also ein Terrain, auf dem Fettnäpfchen lauern. Wie sieht es mit Auftritten im Ausland aus? Sind die Fallen dort größer?

Breyer-Mayländer: Sie sind vielfältiger. Zunächst gibt es da nämlich die sprachliche Dimension. Das kann schon mal peinlich werden, wenn man internationales Parkett betritt und das Englisch für niemanden verständlich ist - wir erinnern uns alle an den Auftritt von Herrn Oettinger, kurz nachdem er EU-Kommissar wurde. Solche Defizite müssen sich Manager und Politiker eingestehen. Sie sollten dann lieber einen Dolmetscher hinzuziehen. Das zweite Problem im Ausland sind die kulturellen Codes. Auch darauf müssen sich Manager vorbereiten. Das geht von der Begrüßung, über den Tausch von Visitenkarten bis hin zum Essen.

Geben Sie ein Beispiel.

Breyer-Mayländer: Der Entwickler des Computerspiels Tetris kommt aus Russland. Als er vor vielen Jahren zu Verhandlungen beim japanischen Spielehersteller Nintendo zu Gast war, kannte er Wasabi nicht. Man erklärte es ihm als eine Art Meerrettich und er langte ordentlich zu. Das Ergebnis: Ihm blieb die Luft weg, die Verhandlung musste unterbrochen werden.

Kirchner: Hätte er sich besser auf seinen Japanbesuch vorbereitet, wäre ihm das nicht passiert. Vorbereitung ist zentral, um Fehltritte zu vermeiden.

Das alleine dürfte aber nicht reichen, oder?

Breyer-Mayländer: Nein. Jeder Manager braucht ein Umfeld, in dem sich Menschen trauen, ihn zu kritisieren. Sie sollen ihm sagen, wenn er nicht der große Redner ist oder seine Argumente unpassend sind, da sie beispielsweise den Erfahrungen weiter Teile seiner Zuhörer nicht entsprechen. Diese Offenheit entsteht aber nur, wenn der Manager Kritik auch zulässt und aktiv Rückmeldungen einfordert.

Solche Fehltritte sind ja bisweilen auch zum Schmunzeln. Was war denn ihr Lieblingsfettnäpfchen in jüngster Vergangenheit?

Kirchner: Als Gregor Gysi während einer Podiumsdiskussion zur Toilette ging und vergessen hatte, das Mikro auszuschalten. Solche Sachen passieren, denn wir sind alle nur Menschen. Die schlimmen Fettnäpfchen sind die, bei denen sich Charakterschwäche offenbart.

(Wirtschaftswoche)

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