Strategien


Loadfox, FreightHub, Cargonnex & Co.

Online-Speditionen wirbeln Logistikmarkt durcheinander

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Die wenigsten Speditionen betreiben heute große Fuhrparks. Sie betätigen sich eher als Vermittler und Disponenten. Doch das können Newcomer aus der Startup-Szene auch - zumal sie keine Altlasten mit sich herumschleppen.
  • Ein Drittel aller LKW auf deutschen Straßen sind leer
  • Eine Vielzahl an Startups verfolgt das Ziel, die Auslastung zu verbessern
  • Versender und Transporteure zusammenzubringen, ist keine Raketenwissenschaft

Allein der LKW-Transportmarkt in Europa steht für ein Umsatzvolumen von rund 250 Milliarden Dollar jährlich und deckt gut ein Viertel des gesamten europäischen Logistikmarkts ab. Zwei Millionen LKW-Touren zählt das Bundesamt für Güterkraftverkehr EU-weit täglich, bis zu 500.000 allein in Deutschland. Zwar gibt es einige dominierende Speditionen wie DHL, SchenkerSchenker, Kühne & Nagel oder DachserDachser, doch die Ware transportieren viele kleine selbständige Frachtführer, ausgestattet mit oft nicht mehr als drei Trucks. Top-500-Firmenprofil für Dachser Top-500-Firmenprofil für Schenker

Trucks im Stau: Dieses Bild zeigt sich auf europäischen Autobahnen immer häufiger. Die traurige Wahrheit: Viele Lkw sind gar nicht beladen.
Trucks im Stau: Dieses Bild zeigt sich auf europäischen Autobahnen immer häufiger. Die traurige Wahrheit: Viele Lkw sind gar nicht beladen.
Foto: monticello - shutterstock.com

Eine Entlastung der Straßen ist dabei nicht in Sicht. Bis 2040, so heißt es in der "Shell-Nutzfahrzeugstudie 2016", wird die Güterverkehrsleistung nochmal um 39 Prozent steigen. Sind heute bereits drei Millionen Lkw auf den deutschen Straßen unterwegs, werden es 2014 rund 3,5 Millionen sein. Lösungen, die einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden helfen, sind gefragt. Der Ausbau der Straßen bietet aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen nur begrenzt Perspektiven, auch die von Verkehrsminister Alexander Dobrindt favorisierten Gigaliner sind wohl nur kosmetische Verbesserungsbeiträge.

Individualisierter Transport erschwert Bedingungen

Die bereits kritische Situation dürfte sich durch den Industrie-4.0-Trend weiter verschärfen. Wenn zunehmend individualisierte Produkte in der Losgröße eins gefertigt und nach Bedarf zugestellt werden, wird das die Transportlogistik nicht eben vereinfachen. Eine weitere Unbekannte in der Rechnung der LogistikerLogistiker ist die additive Fertigung (3D-Druck3D-Druck). Es ist nicht absehbar, ob und in welchem Ausmaß künftig statt Gütern Konstruktionspläne verschickt und Produkte von den Unternehmen in Eigenregie hergestellt beziehungsweise ausgedruckt werden. Auch das kann die Transport- und Logistikbranche verändern. Alles zu 3D-Druck auf CIO.de Top-Firmen der Branche Transport

Sicher ist vor allem eins: Die Transportbranche braucht intelligente Digitallösungen, um effizienter zu werden und die Auslastung ihrer Touren zu verbessern. Schon heute sind die vielen Leerfahrten im LKW-Bereich ein gewaltiges Problem - wirtschaftlich, aber auch ökologisch. Rechnerisch ist jeder dritte Truck auf Deutschlands Straßen leer. Das liegt an der ineffizienten Planung der Fahrten. Viele Frachtführer transportieren eine Ware von A nach B, fahren dann mit leerem LKW weiter zu Punkt C, von wo der LKW dann - mehr oder weniger beladen - zurück zum Ausgangspunkt steuert. Ideal wäre es, wenn der Transporter in unmittelbarer Nähe vom Ziel neue Ladung für die Rückfahrt aufnehmen könnte.

Schon heute ist das Speditionsgewerbe zu einem Gutteil ein Vermittlungsgeschäf: Die Planung und Koordination des Warentransports ist von der physischen Bewegung der Güter getrennt. Doch Vermittlungsdienste sind digitalisierbar, wie wir von prominenten Beispielen wie Uber oder Airbnb wissen. Weltweit bekannte Startups wie Flexport, Uber Freight und Uship haben längst digitale Geschäftsmodelle etabliert, mit denen sie den großen Speditionen ins Gehege kommen. Doch auch hierzulande gibt es einige interessante Newcomer. Wir stellen eine kleine Auswahl vor.

Cargonexx

Im Dezember 2016 ging die Hamburger Cargonexx GmbH an den Start. Das Unternehmen bezeichnet sich mit seiner digitalen Plattform selbst als Online-Spediteur (nach HGB), will aber in erster Linie zwischen klassischen Spediteuren und Frachtführern vermitteln, um das Problem der Leerfahrten in den Griff zu bekommen. Und so funktioniert's: Die Spediteure geben - basierend auf den Aufträgen durch Verlader - ihre Touren ein, die von den Frachtführern geprüft und mit den eigenen Plänen abgeglichen werden. Dabei können die Frachtführer Aufträge mit einem Klick annehmen. Cargonexx wirbt mit einem selbst entwickelten "Transportnetzwerk", dessen Herzstück ein selbstlernender Algorithmus ist. Er findet den jeweils geeignetsten Frachtführer und ermöglicht es dem Speditionsunternehmen, für einzelne Touren und Ladungen die Frachtpreise verbindlich vorherzusagen.

Cargonexx will Spediteure und Frachtführer zusammenbringen, um Leerfahrten zu verhindern.
Cargonexx will Spediteure und Frachtführer zusammenbringen, um Leerfahrten zu verhindern.
Foto: Cargonexx

Die Arbeit für die Spediteure ist überschaubar, sie geben ihre Touren in drei Schritten ein. Zunächst nennen sie einen oder mehrere Be- und Entladeorte, Datum und Zeitfenster. Im zweiten Schritt beschreiben Sie die Ladung: Art der Ware, Gewicht, Lademeter etc. Anschließend wählen die Spediteure den Fahrzeugtypen aus, der zum Transport passt: Lkw, Gliederzug, zugelassener Aufbau, optionale Belademöglichkeiten wie Hebebühne, Rampenbeladung oder sonstiges. Auf Knopfdruck wird nun ein Fixpreis ausgegeben, den der Spediteur bestätigen kann. Stimmt er zu, schlüpft Cargonexx für ihn in die Rolle eines haftenden Spediteurs. Nach Abschluss der Tour erhält der Auftraggeber die Frachtpapiere von Cargonexx und seine Rechnung.

Geschäftsführer Rolf-Dieter Lafrenz freut sich über den guten Start seiner Plattform. Rund 1000 Frachtführer seien bereits registriert, jede Woche kämen 50 bis 70 hinzu. Derzeit beauftragten rund 50 Speditionen Cargonexx, Tendenz ebenfalls steigend. Insbesondere für kleinere Frachtführer ohne Touren-Management-System sei das Cloud-Angebot attraktiv, der "Tinder-Approach" komme dieser Zielgruppe entgegen.

Instafreight

Cargonexx ist ein Beispiel für ein Geschäftsmodell, das - so oder ähnlich - eine ganze Reihe von Jungunternehmen verfolgen. So ist etwa die von Rocket Internet unterstützte Online-Spedition Instafreight ist in diesem Markt unterwegs und sieht sich klassischen Frachtbörsen wie TimoCom oder Trans.eu voraus. Das Unternehmen agiert auch als Online-Spedition und bietet nach Eingabe der Frachtdetails sofort Festpreise an. Frachtführer, die für Instafreight fahren, müssen sich einer Prüfung unterziehen, bei der Aspekte wie Kundenbewertungen und Pünktlichkeit ins Gewicht fallen.

Truckin

Noch ganz am Anfang steht das Startup Truckin, das einen eher mobilen Ansatz verfolgt. Per App oder Browser sollen Interessenten auch hier Transportaufträge suchen und vergeben können. Vorerst bietet das vom Anhänger-Hersteller Schmitz Cargobull finanzierte Unternehmen aber erst einmal Lkw-Fahrern via App nützliche mobile Services wie Parkplatz-Infos, Fahreinschränkungen für Trucks, Stellenanzeigen und Routenplanung. In diesem Markt ist auch das Potsdamer Jungunternehmen Synfioo unterwegs.

FreightHub

Als "digitale Spedition" hat sich FreightHub aufgestellt, ein Startup, hinter dem die Gründer Ferry und Fabian Heilemann stecken. Das Unternehmen wurde unter anderem von Global Founders Capital finanziert, einer Venture-Capital-Gesellschaft, die von Oliver und Marc Samwer sowie dem ehemaligen Delivery-Hero-Chef Fabian Siegel betrieben wird. FreightHub wickelt komplette Containertransporte auf See und in der Luft elektronisch ab: Kunden können online buchen und die Fracht verwalten und verfolgen. Partnerschaften mit 14 großen Reedereien, darunter Hamburg SüdHamburg Süd, Maersk und Evergreen helfen dem jungen Unternehmen in der Startphase. Geht es um den Landweg, arbeitet FreightHub mit Instafreight zusammen. Top-500-Firmenprofil für Hamburg Süd

Hinter dem Startup FreightHub stecken unter anderem die Samwer-Brüder mit ihrer Investment-Gesellschaft Global Founders Capital.
Hinter dem Startup FreightHub stecken unter anderem die Samwer-Brüder mit ihrer Investment-Gesellschaft Global Founders Capital.
Foto: Freighthub

"Wir sind eine vollwertige Spedition, die aber eine komplett digitale Perspektive hat und nicht mit alten Prozessen und IT-Systemen arbeitet", erklärte kürzlich Gründer Ferry Heilemann in einem Interview mit "Berlin Valley". Sein Unternehmen besitze weder Trucks noch Flugzeuge oder Schiffe, sondern manage als One-stop-Shop den Prozess zwischen denen, die diese Assets besitzen, und den Kunden, die bei FreightHub Leistungen beziehen. Diese Abläufe seien heute immer noch sehr aufwändig. "Bei uns geht der Kunde auf die Plattform, tippt ein 'Shenzhen nach Torstraße 1 in Berlin' und bekommt innerhalb von wenigen Sekunden nicht ein oder zwei Angebote, sondern direkt 200 verschiedene Angebote, bei denen er auswählen kann, wann das Schiff abfahren, wie lange es unterwegs sein soll und was das kostet", wirbt Heilemann.

Frachtraum

Auch Frachtraum sieht sich als digitale Spedition und nicht als klassische Frachtbörse, auf der Über- und Unterkapazitäten gehandelt werden. Man wolle europaweit Vertragspartner der Kunden sein und, unterstützt von einem Netzwerk an Frachtführern, die Verantwortung für die gesamte Abwicklung der Transporte übernehmen. Dazu gehört beispielsweise das Ermitteln der optimalen Fahrroute, Track-and-trace-Funktionen für den Kunden und ein optimaler Ablauf an den Be- und Entladestationen.

Loadfox

Ausschließlich an Spediteure richtet sich das Startup Loadfox. Sie können Frachten, die sie selbst nicht transportieren können oder wollen, bei einem anderen Spediteur im Partnernetzwerk unterbringen. Insofern gleicht Loadfox einer geschlossenen Nutzergruppe in einer Frachtenbörse. Mit einem intelligenten Algorithmus fasst Loadfox Frachten zu profitablen Touren zusammen. Spediteure geben Kriterien wie Postleitzahl, Kapazität, Art der Güter ein und finden Ladungen für nicht ausgelastete Fahrzeuge oder Leerfahrten.

Die Plattformteilnehmer bestimmen selbst, welchem angemeldeten Spediteur sie ihr Vertrauen schenken wollen. Das Tool befindet sich allerdings noch in der Betaphase, in der es nur ausgesuchten Spediteuren zur Verfügung steht. Interessenten können sich aber schon heute anmelden und damit ihre Zulassung beantragen. Loadfox ist ein Modul der vom LKW-Bauer MAN ins Leben gerufenen digitalen Transport- und Logistikplattform RIO. Kunden die an RIO teilnehmen, haben mehr Funktionen zur Verfügung und können von der Integration mit anderen RIO-Diensten profitieren (siehe auch: MAN baut offene Digitalplattform für Transport und Logistik).

Pamyra

Private wie gewerbliche Kunden spricht das Erfurter Startup Pamyra an, das über eine offene Frachtbörse Transporte offeriert. Das Unternehmen vermittelt dabei freie Ladekapazitäten von Speditionen und Transportunternehmen. Die Spediteure können Angebote, Leistungen und Leerfahrten bei Pamyra eintragen und so Ihre Sichtbarkeit unter potenziellen Kunden erhöhen.

Die Versender andererseits finden eine Übersicht der für ihre Transportanfrage in Frage kommenden Speditionen und Frachtführer. Sie können Preise und Leistungen nach individuellen Kriterien vergleichen - etwa Ausstattung des Fahrzeugs oder ökologische Effizienz - und den Transporteur der Wahl sofort verbindlich beauftragen. In das digitale Speditionsverzeichnis von Pamyra kann sich jeder aufnehmen lassen, der einen eigenen Fuhrpark betreibt - bestehend etwa aus Lieferwagen, Transportern, LKW (3,5t- und 7,5t), Sattel-Aufliegern, Megatrailern, Tiefladern etc.

Mycargorates

Versender und Transportunternehmen bringt auch Mycargorates zusammen. Kunden suchen aus einer Reihe registrierter Transportunternehmen diejenigen aus, die eine Lieferung in der Luft, auf See oder auf der Straße optimal zustellen können. Kunden bewerten die Leistungen der Spedition nach Kriterien wie Preis-Leistungsverhältnis, Lieferzeit, Beratungskompetenz oder pflegliche Behandlung der Güter. Vorteile für Logistiker bestehen unter anderem darin, mit Neukunden in Kontakt zu kommen und freie Kapazitäten besser auszunutzen.

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